70 Jahre Regentschaft: Die Queen des fossilen Empire

Queen Elizabeth hinterlässt ihr Land mit einer Regierung, die einen Leugner des Klimawandels zum Energieminister macht.

Schwarzes Auto mit Fahne auf dem Dach

Nein, hier ist nicht die Queen drin – trotzdem ist es ein royaler Verbrenner Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

Selbst bei Nicht-Royalisten wie mir lief in den letzten Tagen der Fernseher rund um die Uhr und auf Halbmast. Und da konnte ich sehen, wie die britische Königin Elizabeth II ihre letzte Dienstreise in einem Mercedes antrat. Vom schottischen Schloss Balmoral verabschiedete sich die Regentin, die Pferde liebte, von ihrem Volk und der Welt in einem Wagen mit Verbrennungsmotor. Praktisch, nachvollziehbar und ganz normal. Aber es zeigte auch, dass Her Royal Highness auch die Queen des fossilen Zeitalters war.

Als sie 1952 den Thron bestieg, lebte die Menschheit noch in einer ganz anderen Welt. Das Fieber des Industriezeitalters, hundert Jahre zuvor in England (where else, my dear?) begonnen, war noch kaum zu spüren. Der CO2-Anteil in der Atmosphäre lag bei gemütlichen 312 statt der hitzigen 420 Millionstel Teilchen von heute. Die Menschheit verbrauchte weniger natürliche Rohstoffe als nachwuchsen.

Auf der ganzen Welt gab es 25 Millionen Autos, heute sind es 1,45 Milliarden. Es war nicht der Garten Eden, denn die Welt litt unter Hunger, Armut, Rassismus und Kolonialismus (auch und besonders dem britischen). Aber die Ökobilanz der Menschheit war noch im grünen Bereich, was auch an der Armut vieler Menschen lag. Die Bedrohung von Freiheit und Wohlstand hieß Kommunismus. Nicht wie heute Konsumismus.

Das unterschwellige Versprechen, alles werde schon irgendwie gut, ist nun mit Elizabeth II gestorben. Über ihre Amtszeit hinweg wurde der royale Snobismus der Superreichen von der Maßlosigkeit der globalen Mittelschicht in den Schatten gestellt: Was 1952 an Ressourcenverschwendung nur dem Adel zustand, ist heute normal für den Zahnarzt an der Ecke: Die Safari in Kenia, die überquellenden Kühl- und Kleiderschränke und der Dünkel, dieser Luxus stehe uns zu. Wir speisen wie die Könige, leben in kleinen Palästen oder lassen uns von Gorilla-Liefersklaven bedienen. Und aus dem Begriff „Republikaner“ ist ein Schimpfwort geworden.

Queen Elizabeth hinterlässt ihr Land im Brexit-Wahn und mit einer Regierung, die einen Leugner des Klimawandels zum Energieminister macht und auf den Klima-Notstand mit mehr Öl und Gas reagiert. Der neue König Charles III nimmt bei aller Schrulligkeit die Katastrophe bei Klima und Artensterben ernster als die neue Ministerpräsidentin Liz Truss, deren Name ich seltsamerweise immer als „Dis Trust“ höre.

„Show us you care“ forderten die BritInnen von ihrer Queen nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana, bis Elizabeth schließlich öffentlich trauerte. Letztlich war es die Aufforderung, die Königin solle verdammt noch mal ihren Job machen. Etwas Ähnliches sollten wir von der Truss-Regierung und ihren KollegInnen erwarten, die jetzt zum Begräbnis nach London kommen: Zeigt uns, dass ihr euch kümmert! Hört auf den Klima-King und nicht auf Stuss-Truss! Wir haben nicht noch einmal 70 Jahre Zeit.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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