3Sat-Doku „Krieg und Spiele“: Bitte neutralisieren

Menschen schicken Drohnen in den Krieg. Ist das besser als mit Bomben anzugreifen? Oder verliert der Soldat seine Ehre? Und was ist mit der Moral?

Videoüberwachung aus der Luft

Mal gucken, was der Nachbar so treibt Foto: Ziv Biton/Steffen Hammeric/ZDF

Der Film fängt ganz harmlos an. Also relativ harmlos. Im Vorgarten von Herrn Oepke, der 1982 („damals noch in der DDR“) den deutschen Höhenrekord für Modellkunstflug aufgestellt hat. Heute navigiert er eine Kamera-Drohne und ist auf seiner Jagd nach nackigen Nachbarn bislang erfolglos geblieben. Gegen solche Menschen respektive Drohnen helfen Luftgewehre – Polizei und Flughafenbetreiber experimentieren derzeit mit (auf die Drohnen) abgerichteten Falken. Die sind hoffentlich einsatzbereit bevor Amazon sich tatsächlich anstellt, seine Pläne von der schönen, neuen Zustellwelt mit Paket-Drohnen in die Tat umzusetzen.

Karin Jurschick ist aber nicht nach „harmlos“. Also reist die Autorin von „Krieg und Spiele“ in die beiden Länder, die in der Entwicklung von sogenannten „unbemannten Systemen“ führend sind. Sie trifft und spricht viele Menschen – Menschen, die mit Drohnen getötet haben; Menschen, deren Familienangehörige mit Drohnen getötet wurden. Drohnenentwickler, die in Israel „Drei Musketiere“ heißen und genau wie ihre amerikanischen Kollegen betonen, dass ihre Drohnen „eine Menge Menschen gerettet“ hätten. Warum nur tragen die Drohnen dann Namen wie „Predator“ und „Reaper“, will Jurschick wissen? „Die Namen sind nicht als Hinweis auf die Einsatzbereiche gedacht.“ Ach so. Ach so?

Der Hinweis auf die geretteten Menschen ist trotzdem interessant. Der israelische Moralphilosoph Daniel Statman rechtfertigt den Drohnenkrieg damit, dass das „Targeted killing“ gegenüber der konventionellen Kriegsführung das verhältnismäßigere Mittel sei. Waren die deutschen V1- und V2-Raketen im Zweiten Weltkrieg noch reine Terrorwaffen, exekutieren die Drohnen heute mit quasi-chirurgischer Präzision. „Die Drohne ist eine postheroische Waffe“, sagt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Die Drohnen-Piloten riskieren ihr Leben ebenso wenig wie die Gamer des Videospiels „Call of Duty“.

„Mörder. Attentäter. Sie sind keine Soldaten mehr. Sie riskieren nicht ihr Leben für den Staat. Sie setzen ihr Leben nicht für die Sache des Staates aufs Spiel.“ Der pensionierte Soldat alter Schule Lawrence Wilkerson hat für die Joystick-Vollstrecker von heute nur Verachtung übrig: „Das sind Techniker. Diese Typen gibt es schon. Sie sind in der Luftwaffe. Und sie machen mir Angst. Sie haben keine ethischen Grundsätze. Keine Moral. Sie sind amoralisch. Apolitisch. Ihnen geht es nur um die Technik. Silicon Valley in Kalifornien hat tausende von solchen Typen hervorgebracht. Sie machen mir Angst.“

"Krieg und Spiele", Mo., 16.10., 22.25 Uhr, 3Sat; Doku (D 2017) von Karin Jurschick

Lawrence Wilkerson war nicht irgendein Soldat – er war der Stabschef von Colin Powell, dem Soldaten im Amt des US-Außenministers. Was den Soldaten vom Mörder/Techniker unterscheidet, ist die Bereitschaft des Soldaten, sein Leben zu riskieren? Eine steile These, die so auch in dem Spielfilm „Good Kill“ vertreten wird. Da verzweifelt Ethan Hawke, der im Unterschied zu seinen Drohnenkrieger-Kollegen in Las Vegas früher noch echte Kampfflugzeuge geflogen ist, an dem tagtäglichen konsequenzlosen Töten. Er trinkt, die Ehe geht kaputt. Am Ende bleibt ihm nur, den Dienst zu quittieren.

Wasser auf die Mühlen solcher Soldaten-Nostalgie sind natürlich die Bilder der von ihren Kills berauschten „Call of Duty“-Nerds auf einer Games Convention. Der „Call of Duty“-Erfinder Dave Anthony sagt im Gespräch mit Karin Jurschick ziemlich oft „scary“. Und Ronald Arkin vom Georgia Institute of Technology meint über die Soldatenehre: „Meine deprimierendste Arbeit überhaupt war die Untersuchung menschlichen Verhaltens auf dem Schlachtfeld.“ Der Robotiker hält also Roboter für die besseren Soldaten, deren rationales Verhalten „nicht durch Todesangst, Wut oder Frustration bestimmt wird.“ Aber, prognostiziert „Sie wissen alles“-Autorin Yvonne Hofstetter – Karin Jurschicks Film endet, wo er angefangen hat, in der deutschen Provinz –, „dann kann eben genau das passieren: dass Maschinen sich unter Umständen sagen, Moment mal, diese Erde könnte so friedlich sein. Die einzigen Störenfriede sind die Menschen. Bitte neutralisieren.“

Ob die Falken uns dann noch werden helfen können? Scary.

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