25 Jahre „Kunst-Werke“ in Berlin: Kleine und große Widersprüche

Die Berliner „Kunst-Werke“ feiern Geburtstag. Erst stritt sich dort die subkulturelle Intelligenzija, dann wurde am City-Marketing gearbeitet.

Zu sehen ab April in Berlin: Anthony McCalls „Line Describing a Cone“ Foto: Freddy Le Saux/Promo

Wenn sich alle drüber aufregen, aber trotzdem jedes Mal wieder hingehen, hat jemand was richtig gemacht. Die Kunst-Werke in der Berliner Auguststraße, die sich später in KW Institute for Contemporary Art umbenannten, waren solch ein Ort. Wenn in der ehemaligen Margarinefabrik eine neue Ausstellung eröffnete oder jemand einen Vortrag hielt, verwandelte sich die verschlafene Auguststraße in einen Ort, an dem sich „alle“ trafen – eine diffuse Szene von Künstlerinnen, Galeristen, Studentinnen, Aktivistinnen, Ravern und Hausbesetzern, oft vereinigten einzelne Anwesende mehrere Funktionen auf sich. Man kam, trank und rauchte im Hof, unterhielt und stritt sich.

Die fünf Leute Mitte zwanzig, die diese neue Kunstinstitution gründeten und einige Jahre lang als Gruppe führten, hatten allesamt anderes als Kunst oder Kunstgeschichte studiert. Insofern ist es bemerkenswert, dass am Wochenende die Kunst-Werke als erfolgreichste der nach dem Mauerfall in Ost-Berlin gegründeten Institutionen ihr 25-jähriges Jubiläum feiern können.

Ihr Erfolg begründete sich wesentlich darin, all das in sich aufzunehmen, was um sie herum los war, auch wenn die daraus resultierende Mixtur nicht frei von kleineren und größeren Widersprüchen war: Da wurden Häuser und Theorien angeeignet, Musikstile und Posen, Political Correctness und Crossover, Institutionskritik und Medientheorie, Gender Theory und Interdisziplinarität, Konzeptkunst und Antifaschismus.

Aus dieser Ursuppe, die anfangs eine Vielzahl von KuratorInnen anrührten, erwuchs bald eine Institution, die internationale Künstler in die Stadt holte und gemeinsam mit ein paar jungen Galeristen Berlin an den globalen Kunstmarkt anschloss. Die technologieaffine und subkulturell geprägte Kunstszene der Stadt wurde international lustig und bunt vermarktet, als „Children of Berlin“.

Die Vielfalt theoretischer und politischer Debatten und Impulse, die in den Ort und seine Praxis einflossen, wurde in ein Bild gegossen, das seinerseits Dinge, Menschen und Finanzströme in Bewegung setzte. Wenn auch selten im Sinne der Künstlergruppen und Diskussionszirkel der Anfangsjahre.

Dass die fünf Gründungsmitglieder eines kleinen, eingetragenen Kunstvereins sich überhaupt entschlossen hatten, die ehemalige Margarinefabrik in der Mauerstraße zu mieten, war Jutta Weitz zu verdanken. Sie arbeitete in der Wohnungsbaugesellschaft Mitte und verfolgte mit anderen Frauen in Kulturamt und Stadtrat eine nachhaltige kulturpolitische Agenda: Zugunsten einer nicht am kommerziellen Erfolg orientierten, sondern einer am eigenen kritischen Potenzial arbeitenden kulturellen Praxis sollten Individuen, Gruppen und Institutionen einen Fuß in die Tür der nun auf dem Markt befindlichen Innenstadt Ost bekommen.

In Bewegung setzen

Die Kunst-Werke profitierten davon. Bald kamen gute Beziehungen zur regierenden CDU dazu, die erkannte, dass sie ein cooles, herzeigbares Geschenk bekommen hatten. Die KW kosteten wenig, brachten aber viel.

Klaus Biesenbach, einer der fünf Kunst-Werke-Gründer, versorgte Jutta Weitz im Gegenzug mit dem Begriff, der operational wurde, wenn es darum ging, Künstlerinnen Ateliers und Projekträume und Musikveranstaltern Clubräume zu verschaffen: Zwischennutzung hieß das Zauberwort. Aber schon die von den Kunst-Werken organisierten Ausstellung „37 Räume“ von 1992, die an verschiedenen Orten in der Auguststraße stattfand, von 23 Kuratorinnen und 18 Kuratoren bespielt, wurde vielerorts als problematisch beschrieben: „Den jetzigen Kuratoren obliegt es nicht zu entscheiden, was nachfolgende Spekulanten tun oder lassen“, hieß es in der taz. Bald wurde den „37 Räumen“ und den Kunst-Werken gar eine Schlüsselrolle in der Gentrifizierung von Berlin-Mitte zugesprochen, als ob jene im Zentrum der neuen deutschen Hauptstadt ohne den sich hier ballenden Kunstbetrieb nie stattgefunden hätte.

Auch nach der Institutionalisierung ihrer Rolle als Stichwortgeberin des City-Marketing durch Großereignisse wie die Berlin Biennale gelang es den Kunst-Werken, Ausstellungen zu organisieren, an denen sich größere Debatten entzündeten, wenn oft auch skurrile: Dass die nun in klinischem Weiß präsentierte, von kleinen Fehlern, aber auch ihres einst absolut notwendigen Agit-Prop-Impetus bereinigte Wehrmachtsausstellung noch einmal so viel Aufruhr unter Fans der deutschen Armee und Verharmlosern ihres Vernichtungskriegs verursachen konnte, ist erstaunlich.

Man kam, trank und rauchte im Hof, unterhielt und stritt sich

Bald darauf gerieten die konservativen Eliten in Aufregung, als in den KW eine Ausstellung über die RAF gezeigt wurde, die sich auch den verführerischen Oberflächen des Terrors widmete und deswegen prompt der Terror-PR bezichtigt wurde. Die KW zeigten Haltung und verzichteten darauf, staatliche Zuschüsse für diese Ausstellung zu verwenden.

Ein letztes Mal wurde es in den KW 2012 im engeren Sinn politisch, als ein Künstler der Berlin Biennale im Zuge einer „Entgiftungsaktion“ dazu aufrief, Exemplare von Thilo Sarrazins Deutschlandbuch in Sammelstellen abzugeben, damit sie einem „Recycling“ zugeführt werden könnten. Da war von der politischen Intelligenz der frühen Jahre nur noch wenig zu spüren, während der Ausstellungsbetrieb zugleich immer professioneller kuratiert wurde. Jede Institution hat ihre Zeit.

An die Kunst-Werke wird man sich vielleicht dereinst als Institution erinnern, in der Frauen eine wesentliche Rolle spielten, auch wenn ihr Impresario lange Klaus Biesenbach hieß.

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