1953international: „Eine neue Normalität”

Die Dresdner Faninitiative 1953international wollte Rassismus in ihrem Stadion bekämpfen – und kam auf eine sehr gute Idee.

„Wir möchten den Flüchtlingen damit einfach eine Freude bereiten“: die Faninitiative 1953international Bild: Anja Weber

Das gelbe Haus des Fanprojekts Dresden liegt an einer lauten Hauptstraße zwischen Bahngelände, verlassenen Altbauten und modernen Bürokomplexen. Auf dem Hof des Fanhauses machen drei junge Männer eine Torwand mit Lack wetterfest. Es riecht nach frischer Farbe und ist heiß. Die drei jungen Männer gehören zur Faninitiative 1953international. Seit acht Jahren kämpft sie in der Fanszene des Zweit- beziehungsweise Drittligisten Dynamo Dresden gegen Rassismus und für Toleranz.

Die Torwand wollen sie zu einem Flüchtlingsheim in Hoyerswerda bringen. „Wir möchten den Flüchtlingen damit einfach eine Freude bereiten”, sagt Max. Max ist Mitte zwanzig und will, wie auch die anderen, seinen Namen eigentlich gar nicht nennen. Es geht hier nicht um Individuen, sagt er, es geht um die Gruppe und was sie erreicht. Die Jungs von 1953international legen Wert auf ihre Unabhängigkeit. Als quasi offizielle Fortsetzung des Fanprojekts Dresden wollen sie nicht verstanden werden. Max betont: „Unsere Arbeit ist uns ein persönliches Anliegen.”

1953international gründete sich nach rassistischen Kommentaren und Rufen aus dem Fußballpublikum während eines Spiels gegen die Sportfreunde Siegen aus Nordrhein-Westfalen. „Man hat sich dann gesagt, dass man das als Dynamofan nicht mehr hinnehmen will.” Max, Tobias und Stefan sind Fans der SGD, der Sportgemeinschaft Dynamo. Eines der Hauptziele der Gründung der Faninitiative war es, den Verein dafür zu sensibilisieren, dass Rassismus in den Fanblöcken ein ernstzunehmendes Problem ist – und nicht als Randerscheinung abzutun sei.

Die Leute nicht bekehren

So verständigte man sich darauf, einen Diskurs in der Fanszene anzustoßen. „Aber wir wollten eben nicht mit dem Finger zeigen – das sind die Bösen, wir sind die Guten –, sondern vielmehr das Problem selbst thematisieren und ein Bewusstsein schaffen”, erklärt Max. Dementsprechend wollten sie ihren Namen auch mit etwas Positivem besetzen: „1953”, das Gründungsjahr der SGD und „international”, weil eine Menge Spieler aus verschiedenen Ländern in diesem Verein gespielt haben.

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„Wir konnten nicht die Moralpolizei spielen, wenn wir von der Fanszene akzeptiert werden wollten”, sagt Tobias. „Aber wir wollten uns positionieren und uns etablieren als eine Initiative, die dafür einsteht, dass eine Fankurve ohne rassistische Schmähgesänge auskommen kann.” 1953international will die Leute nicht bekehren. Vielmehr geht es darum, das Thema Rassismus überhaupt erst auf die Tagesordnung zu bringen, weil es bis dahin nicht wirklich erörtert worden war. Anfangs hätte man das von Vereinsseite her völlig negativ gesehen, erzählt Max. Er macht das Umdenken im Verein gerne an der Person Volker Opitz fest: „Der hat umgedacht und dann öffentlich erklärt, warum Rassismus Scheiße ist und im Fußball nichts zu suchen hat.”

Später ist Volker Opitz Geschäftsführer der SGD geworden und mit ihm sind 1953international ins Gespräch gekommen. Das Thema Rassismus jedenfalls ist gut im Vereinsleben verankert, finden die jungen Männer. Unter anderem mit ihrem Slogan „Love Dynamo – Hate Racism”, der inzwischen unten auf jeder Eintrittskarte zu sehen ist. Dieser Slogan stehe jetzt auch generell für die Antirassismusarbeit des Vereins.

Die Begegnung zwischen dem Traditionsfan und dem Flüchtling

Seit 2012 organisiert die Gruppe den Besuch von Heimspielen Dynamos zusammen mit Flüchtlingen sowie deren Kindern aus den umliegenden Flüchtlingsheimen. Damit möchten sie den Menschen in Zusammenarbeit mit der „AG Asylsuchende” zumindest für eine kurze Zeit eine Alternative zu ihrem häufig eintönigen Alltag bieten. Aber nicht nur das, erklärt Stefan: „Die Idee war auch, bewusst Leute einzuladen, die sonst nicht ins Stadion kommen. Einerseits, weil sie die finanziellen Mittel nicht haben, und andererseits, weil sie auch Angst hatten, allein ins Stadion zu gehen.” Stefan fügt an: „Und so haben wir eine Begegnung geschaffen zwischen dem langjährigen Dynamofan und dem Flüchtling.”

Nach anfangs misstrauischem Beäugen hätten Traditionsfans sogar Kontakt mit den neuen Fans gesucht. Das war viel praktischer und greifbarer als der Ansatz, dass man sich als Fan benehmen müsse, weil es auch Spieler gibt, die aus anderen Ländern kommen. „So habe ich einfach jemand neben mir stehen, der ‚anders‘ aussieht. Und wenn ich jetzt ‚Scheiße‘ rufe, dann trifft das den auch direkt, dann kann ich vielleicht sogar gleich Feedback kriegen. Wenn ich einen ausländischen Spieler von der Tribüne aus beschimpfe, bekomme ich ja kein Feedback”, erklärt Max.

Für dieses Gemeinschaftsprojekt mit der „AG Asylsuchende” erhielten sie 2013 den sächsischen Integrationspreis. Einige der Flüchtlingskinder bekommen außerdem die Gelegenheit, Einlaufkinder (die Kinder, die die Mannschaft beim Einlaufen ins Stadion begleiten, d. Red.) zu sein und in den Ferien die Dynamo-Fußballschule zu besuchen. „Einfach mal ein bisschen mittrainieren, damit diese vermeintliche Andersartigkeit aufgeweicht wird”, erklärt Max. „Wir wollen eine Normalität schaffen.” Für viele Leute ist das schon eine ziemliche Hürde, selber aktiv zu werden. Aber schon mit einfachen Mitteln könne man einiges erreichen, sagt Stefan.

„Wir machen unser Ding”

Zum Beispiel mit dem eigenem Gesang rechte Parolen übertönen oder die T-Shirts im Stadion tragen, auf die die Slogans von 1953international gedruckt sind: „Love Dynamo – Hate Racism”. Jeder könne das machen – und wer es tut, schafft wiederum selber eine Öffentlichkeit für das Thema. Die Slogans sind inzwischen ein Stück der Fankultur geworden, berichtet Max nicht ohne Stolz. „Harte Nazis wirst du auf diese Weise nicht bekehren”, erklärt Tobias. „Aber wir erreichen den normalen Fan.”

Zuletzt spendete diese besondere Gruppe mehrere „Stolpersteine” zur Erinnerung an Verfolgte des Naziregimes. Auf keinen Fall wollen diese Jungs, dass ihre Aktionen als etwas Besonderes gesehen werden. Man könnten sagen: Der pure Anstand sagt ihnen, dass sie ein Gutes zu tun haben. „Wir machen halt unser Ding”, sagt Stefan lapidar. „Es wird manchmal gesagt, dass wir Politik ins Stadion tragen würden”, erzählt Tobias – gemeint als Vorwurf. „Aber Antirassismus ist in etwa vergleichbar mit dem Vorwurf, man sei ein Spießer, nur weil man sich verbittet, dass Leute ins eigene Wohnzimmer urinieren. Für uns ist das selbstverständlich, weil alles andere einfach eklig ist.”

Mareike Barmeyer