150 Jahre Deutsche Bank: Als die Macht zerbrach

Das größte Kreditinstitut Deutschlands feiert 150-jährigen Geburtstag. Wie aus der allmächtigen Zentrale der „Deutschland AG“ ein Scheinriese wurde.

Das Logo der Deutschen Bank spiegelt sich und ist verzerrt

Frankfurt am Main: Das Logo der Deutschen Bank spiegelt sich in einer Hausfassade Foto: Andreas Arnold/dpa

BERLIN taz | Einst hielt die Deutsche Bank bei führenden deutschen Konzernen wie selbstverständlich eine machtvolle Sperrminorität. Auf den Hauptversammlungen von Daimler, Siemens oder Thyssen vertrat sie 25 Prozent plus x der Stimmen – nichts ging gegen ihren Willen. Sie entschied über die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen und berief Hunderte Topmanager in ihre eigenen Beiräte. Sie – Frauen waren kaum darunter – galten fortan als „Männer der Deutschen Bank“. Zusammen mit den eigenen Kapitalbeteiligungen an großen Unternehmen dominierte die Deutsche Bank bis zur Jahrtausendwende die „Deutschland AG“. Doch seit der Finanzkrise gilt die Großbank vielen Beobachtern nur noch als Scheinriese. Dabei hatte das Kreditinstitut schon mehrere tiefe Krisen überlebt.

Vor 150 Jahren, am 10. März 1870, wird das Gründungsstatut durch „Allerhöchsten Erlass Sr. Majestät des Königs von Preußen“ genehmigt. Hinter der Gründung stehen führende deutsche Privatbankiers. Allein sind diese zu klein, um den aufstrebenden Industriekapitalismus zu finanzieren. Neuartige Aktiengesellschaften sollen das notwendige Kapital beschaffen. Zweck der Deutsche Bank AG ist die Förderung „der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen europäischen Ländern und überseeischen Märkten“.

Lange bleibt dies ein globales Erfolgsmodell. Doch die Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre übersteht die Deutsche Bank nur dank staatlicher Hilfen. Im Jahr 1936 reprivatisiert die Reichsregierung von Adolf Hitler das Institut wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Bank im Osten geschlossen und im Westen in zehn Teilinstitute aufgeteilt. Eine Studie der amerikanischen Militärverwaltung (Omgus) zeigt die große Bedeutung der Bank für die Kriegsfinanzierung und ihre Teilnahme an „Arisierungen“. Erst 1957 entsteht die Deutsche Bank wieder neu und steigt im Wirtschaftswunderland zur Nummer eins auf.

Die Großbank ist Linken und Liberalen immer wieder ein Ärgernis. Nach der Bundestagswahl 1998 entflechten SPD und Grüne sie. Kanzler Gerhard Schröder und sein Vize Josef Fischer berufen einen profilierten Bankkritiker, Hans Martin Bury, zum Staatsminister. Eine Steuerreform soll im Oktober 2000 die Oligarchie hinwegfegen, neue Wachstumsimpulse geben und die Macht der Bank zerschlagen. Die Reform erlaubt den Verkauf aller Kapitalbeteiligungen – steuerfrei. Was durchaus den Interessen der Deutschen Bank entspricht: Sie erlöst Milliarden, die sie weltweit profitabler anzulegen hofft. Bury wird später zu Lehman Bro­thers wechseln.

Investment goes international

Schon in den neunziger Jahren lockern sich die engen Bande der Deutschland AG. „Shareholder Value“ und die Ausrichtung der Unternehmen an Aktienkursen sowie die Globalisierung internationalisieren die wiedervereinigte deutsche Wirtschaft. Neue, ausländische Kapitalinteressen, Investmentfonds wie Blackrock und angelsächsische Investmentbanken wie Lehman Brothers dringen auf den deutschen Kapitalmarkt vor. Gleichzeitig zieht es deutsche Konzerne verstärkt in die Welt hinaus, jahrzehntelang gepflegte Rundumbeziehungen innerhalb der Deutschland AG gelten als überholt.

Greg Lippmann, der damalige Star der Spekulationssparte, sprach von „Mist“ und „Scheiße“

Der Absturz im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 hängt mit dem massiven Aufbau des Investmentbankings zusammen. „Hoch riskante Anlageinstrumente wurden ohne Kundenauftrag für den Eigenhandel produziert“, sagt der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel der taz. Aus vielen E-Mails der Deutschen Bank an der Wall Street wird die gezielte Produktion von Schrottpapieren nachvollziehbar.

Greg Lippmann, der damalige Star der Spekulationssparte der Bank, sprach von „Mist“ und „Scheiße“, die den „Säuen“ angedreht werden müsse. Den Grund sieht Hickel letztlich in der Vorgabe einer extremen Kapitalrendite von über 25 Prozent. „Der Absturz in die Verlustzone war dadurch vorprogrammiert.“

„Kriminelles Verhalten“

Andere hausgemachte Probleme kommen hinzu. Die jüngere Geschichte der Bank sei von großen Skandalen gezeichnet, kritisiert Gerhard Schick, Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende. „Durch ihre Spekulationen bis hin zu kriminellem Verhalten hat sie der Gesellschaft immer wieder immensen Schaden zugefügt.“ Geldwäsche, Cum-Ex-Steuerbetrug oder strafbare Deals mit Umweltzertifikaten sind nur einige Stichworte.

Für die Finanzmarktexperten der TU Chemnitz bleibt die Bank „ein großes Rätsel“. Professor Friedrich Thießen weist gegenüber der taz auf die Personalpolitik hin: „Irgendwann verlor die Bank die Fähigkeit, Spitzenkräfte im eigenen Haus großzuziehen.“

Seit den neunziger Jahren wirbt die Deutsche Bank Spitzenkräfte gegen Spitzenhonorare von anderen Banken ab. Damit verärgert sie Konkurrenten und schadet sich selbst. Es komme eine andere Motivation ins Haus, sagt Thießen: „Nicht mehr der Stolz, Deutschbanker zu sein, sondern das Geldmotiv.“ Wenn eine genügend große Anzahl Führungskräfte Söldnercharakter habe, erklärt Thießen, sei eine Bank „tot“. Niemand tue mehr wirklich etwas für die Zukunft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.