Neuerfindung im Abstiegskampf: Werder will frischer und billiger werden

"Wir brauchen Stimmung in der Bude", sagt Werder-Trainer Schaaf. Der junge Florian Trinks setzte Akzente – und Großverdiener wie Frings kann sich Bremen eh nicht mehr leisten.

Nicht-mehr-junger Werderaner Frings gegen den jungen Müller beim Spiel Werder gegen Bayern München, das 1:3 ausging. Bild: dapd

BREMEN taz | Es ist nicht gewiss, ob alle Fußballer des SV Werder Bremen am Sonntagabend dieses Plakat gesehen hatten, das vor Anpfiff des Bundesligaspiels gegen Bayer Leverkusen aufgespannt wurde. "Kämpfen bis zum Ende - niemals zweite Liga", stand in schwarzen Großbuchstaben auf weißem Grund, und die Botschaft aus der Ostkurve des Weserstadions galt im Grunde einem ganzen Verein.

Wer dann sah, wie der Verteidiger Sebastian Prödl nach seinem 2:2-Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit beim Jubellauf nicht mehr einzufangen war, wie der Trainer Thomas Schaaf dreimal die rechte Faust durch die Luft schleuderte, der konnte erahnen, wie sehr der Abstiegskampf am grün-weißen Lebensnerv zerrt.

Schon einmal befand sich der Klub, der in den vergangenen Jahren ein Dauerabonnement auf die Teilnahme an der Champions League hatte und zum Vorzeigeverein geworden ist, in einer ähnlich bedrohlichen Lage. 1999 war das. Damals hatte Schaaf – mit etlichen Haaren mehr und einigen Falten weniger – gerade in höchster Not das Ruder bei Werder übernommen, weil es einem gewissen Felix Magath komplett entglitten war.

Die Bremer beschäftigten eine viel schlechtere Mannschaft und viel, viel billigere Mannschaft, aber Schaaf schaffte es mit seiner besonnenen und beruhigenden Art, den Abstieg zu vermeiden. Diese Zuversicht strahlt der Fußballlehrer auch zwölf Jahre später aus ("Wir haben den Glauben"), doch der bald Fünfzigjährige wirkt aufgewühlter, aufgebrachter und angespannter, aber auch unnahbarer, unberechenbarer und undurchschaubarer als damals.

Umbruch im Sommer unvermeidlich

"Wir brauchen Stimmung in der Bude", sagte Schaaf nun und dankte explizit dem erstaunlich geduldigen Publikum: "Die Leute wissen, dass wir nicht mehr frei kombinieren können." Der gemeine Bremer Fan steht in diesen trüben Wintertagen tatsächlich so felsenfest zu Schaaf wie der Roland auf seinem Sockel vor dem Marktplatz: Als Werder gegen die lange Zeit viel bessere Werkself mit 0:2 im Hintertreffen lag, zeigten die Fans demonstrativ ein Pro-Trainer-Banner. Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Umbruch im Sommer unvermeidlich wird – ob mit oder ohne Schaaf.

Des Bremer Volkes Liebling selbst hatte ja das deutlichste Zeichen in dieser Richtung gesetzt, indem er die Nationalspieler Marko Marin, Aaron Hunt und Marko Arnautovic auf die Bank verbannte und stattdessen dem erst 18-jährigen Florian Trinks als Spielmacher vertraute. Der U17-Europameister, aus Gera stammend, sprach später von einem Super-Erlebnis, "aber eigentlich sind die persönlichen Befindlichkeiten scheißegal, wir müssen nur drinbleiben". Profis dieser Couleur beschäftigt der Klub zu wenige, weshalb Schaaf seinen Schachzug auch besonders hervorhob. "Florian bringt uns jugendliche Frische und Unbekümmertheit."

Frings: "Ich möchte nicht mehr, es reicht"

Das Gegenteil dessen verkörpert Torsten Frings, der wegen einer Sperre auf der Tribüne saß. Mittelpunkt der Diskussionen ist der 34-Jährige dennoch, hat der Kapitän doch durchklingen lassen, seine Karriere beenden zu wollen ("Ich möchte nicht mehr, es reicht"). Explizit mag Vorstandschef Klaus Allofs den Beschluss so noch nicht bestätigen. "Wir halten ihm alle Optionen offen." Am wahrscheinlichsten wird eine Weiterbeschäftigung im Verein sein. Eine genaue Idee davon scheint indes noch keiner zu haben.

Großverdiener wie Frings kann sich der neue SV Werder ohnehin gar nicht mehr leisten. Ein Personalbudget von 45 Millionen Euro oder mehr ist ohne Einnahmen aus einem internationalen Wettbewerb an einem Standort wie Bremen nie und nimmer zu stemmen. Deshalb kündigen sich weitere Verkäufe an.

Weil Mitläufer wie der ewig verletzte und nun mit Gehirnerschütterung ausgeschiedene Tim Borowski nicht zu veräußern sind (und nicht wegwollen), wird es prominentes Personal treffen: Stammkraft Per Mertesacker (Vertrag bis 2012) ist sommers genauso ein Verkaufskandidat wie einer aus der verspielten, stagnierenden oder problematischen Kategorie namens Marin, Hunt oder Arnautovic. Und bei neuen Zukäufen und Vertragsabschlüssen wird Werder ohnehin nur mit kleinem Geld operieren können. Das alles setzt den Klassenerhalt auf der Zielgeraden voraus. Ansonsten muss sich der Klub gleich auf allen Ebenen neu erfinden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.