Marathon durch Jerusalem: Politik im sportlichen Outfit

Der Jerusalem-Marathon wird zum politischen Zankapfel: Palestinenser und linke Israelis rufen zum Boykott auf. Sie wittern eine "Judaisierung Jerusalems".

Die isrealischen Soldaten wollen durch den arabischen Teil von Jerusalem laufen. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Ende des Monats gehen sie an den Start. 7.000 Läufer, davon 4.000 israelische Soldaten, wollen entweder die vollen 42 Kilometer, die Hälfte oder nur zehn Kilometer durch Jerusalem rennen. 800 Sportler reisen eigens aus dem Ausland an. Bürgermeister Nir Barkat lässt mit Hilfe großzügiger Sponsoren - darunter Adidas - zum ersten Mal einen Marathon in Israels umstrittener "Hauptstadt" stattfinden.

Von einem "aggressiven Schritt", spricht Stadtratsmitglied Pepe Alalu (Meretz), der das Sportereignis, das auch durch den arabischen Osten Jerusalems führen soll, ablehnt. Schon rufen palästinensische und israelkritische jüdische Organisationen zum Boykott auf.

Für politisch oder historisch interessierte Läufer gibt es vermutlich auf der ganzen Welt keine spannendere Strecke als diese. Es geht hinein in die Altstadt mit ihren orientalischen Märkten, hoch zum Campus der Hebräischen Universität, durch palästinensische Viertel, vorbei an der Knesset und dem Obersten Gerichtshof. Recht hügelig ist es allerdings. Außerdem könnte es Ende März schon unangenehm heiß für die Sportler werden.

Der Protest gegen den Marathon wäre vielleicht nicht ganz so laut ausgefallen, wenn nicht gerade unter Bürgermeister Barkat, selbst fünffacher Marathonläufer, die Besiedlung des arabischen Ostteils durch jüdisch-israelische Neubürger besonders intensiv vorangetrieben werden würde. Die "Judaisierung Jerusalems", wie Kritiker sagen, geht fast immer unmittelbar zu Lasten der Palästinenser. Häuserräumungen und -zerstörungen gehören zum Alltag im international bis heute nicht als Hauptstadt Israels anerkannten Jerusalem. Hunderte Familien sind akut davon bedroht, ihr Heim zu verlieren.

Die linken Stadtratsmitglieder wehren sich gegen jedes Ereignis, dass den Anschein erwecken könnte, das besetzte Ostjerusalem gehöre zu Israel. "Die Botschaft, auf die hier abgezielt wird", so warnte der Meretz-Stadtratsabgeordnete Meir Margalit auf telefonische Anfrage, "ist, dass es ganz normal ist, wenn das Rathaus eine internationale Veranstaltung plant und dabei über Ostjerusalem mitentscheidet."

Appell an Adidas

Die Meretz-Abgeordneten riefen zum Boykott des Marathons auf und appellierten an Adidas, die Gelder zurückzuhalten, mit denen das Unternehmen den Lauf sponsert. "Es geht hier ganz klar um eine politische Veranstaltung", sagt Margalit, "die lediglich in ein sportliches Outfit verpackt wird."

Zwar habe das deutsche Sportunternehmen einen Vertreter nach Jerusalem geschickt, einig wurden sich die linken Stadtabgeordneten mit Adidas trotzdem nicht. Dabei hätten Margalit und seine Parteifreunde nichts gegen einen Marathon einzuwenden gehabt, wäre er nur auf Westjerusalem beschränkt geblieben.

Genau das wollte Elisha Peleg, der im Auftrag des konservativen Likud im Jerusalemer Stadtrat sitzt und als Sportbeauftragter für den Marathon verantwortlich ist, auf keinen Fall. Ostjerusalem sei Teil der Stadt, findet er. "Hätten wir die Strecke auf den Westen Jerusalems konzentriert, wären sicher Beschwerden gekommen, warum wir die Hälfte der Bürger ignorieren." Bei dem Marathon handele es sich um ein "kulturelles Ereignis", schließlich diene der Sport von jeher dazu, die Völker zu vereinen. Eine spezielle Aufforderung an die Palästinenser, bei dem Lauf mitzumachen, gab es nicht.

Dass der Marathon die Verständigung zwischen Juden und Arabern in Jerusalem verbessern kann, glaubt Meretz-Politiker Margalit ohnehin nicht: "Wie sollte das gehen, solange die halbe Stadt besetzt ist und solange dort Häuser zerstört werden?" Dumm für Adidas, sich nicht rechtzeitig für eine neutralere Stadt als Sponsor beworben zu haben: Zwei Wochen später findet in Tel Aviv der "Gillette-Marathon" statt, gegen den niemand etwas einzuwenden hat.

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