Polnischer Comic im Chopin-Jahr: Zu anzüglich für deutsche Schüler

Die polnische Botschaft wollte deutsche Schüler mit Comics für Chopin begeistern. Der Comic enthält Ausdrücke wie "Du Muschi!" und "Schwulenholocaust". Jetzt wird er eingestampft.

"Ein grober Fehler, diesen Comic in Auftrag zu geben." Bild: kultura.com.pl

"Du Schwanz!" und "Du Muschi!". Frédéric Chopin und seine Band werden beschimpft. Der große polnische Komponist tritt nämlich im Knast auf. Das ist in einem Comic zu lesen, in Auftrag gegeben von der polnischen Botschaft – anlässlich des Chopin-Jahrs 2010. Das Heft sollte in deutschen Schulen ausgelegt werden, um den Schülern Chopin und seine Heimat nahe bringen.

Der Aufklärungsversuch scheiterte kläglich, der Comic wird nicht ausgeliefert. Denn das Außenministerium und insbesondere Außenminister Radoslaw Sikorski stießen sich an den obszönen Passagen, wie die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza in dieser Woche berichtete.

Sikorski, der von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski zur regierenden Bürgerplattform (PO) wechselte, ordnete an, dass alle 2000 gedruckten Exemplare wieder eingestampft werden. Laut Gazeta Wyborcza hatte ihre Produktion rund 30.000 Euro gekostet.

"Es war ein grober Fehler, diesen Comic in Auftrag zu geben", sagte Sikorski in einer Meldung der Schweizer Nachrichtenagentur SDA. Ein Mitarbeiter der polnischen Botschaft in Berlin hatte sechs deutsche und polnische Zeichner mit dem Comic beauftragt.

Sie verpflanzten den Musiker in die Gegenwart, stellten ihm einen Skinhead als Freund zur Seite und ließen ihn allerlei Geschichten durchleben – unter anderem den besagten Gefängnisauftritt.

Zeichner wollte Chopin-Jahr-Pomp verspotten

Er habe ja nicht gewusst, dass sein Comic in Schulen verteilt werden sollte und wollte den Pomp verspotten, mit dem in Polen das Chopin-Jahr begangen wurde, zitiert die Wyborcza den Zeichner Krysztof Ostrowski. Einen derartigen Skandal konnte er sich nicht vorstellen.

Man habe sich gar nicht so sehr über die Schimpfwörter empört, als an das ebenfalls verwendeten Wort "Schwulenholocaust", lautet eine Erklärung des polnischen Außenministeriums in der Wyborcza. Ein in polnischen Knästen allerdings übliches Schimpfwort. Christian Heugner vom Internationalen Auschwitz Rat bleibt in der Wyborcza gelassen: "Wir fühlen uns nicht verspottet. In diesem Kontext kann man das als Statement gegen die Sprache der Intoleranz und des Hasses werten."

Die Regierung besänftigte das nicht. Für die Korruptionsbeauftragte der Regierung, Julia Pitera, war der ganze Vorgang schlicht ein "Skandal", und Sikorski bedauerte öffentlich, dass er den verantwortlichen Mitarbeiter der polnischen Botschaft in Berlin nicht entlassen könne – denn dieser hatte den Dienst bereits zwei Monate zuvor quittiert. Der Wert des Comics ist durch die Affäre gewaltig gestiegen: Auf einer Benefizveranstaltung in Warschau ersteigerte ein Bieter ein vom polnischen Botschafter handsigniertes Exemplar – für umgerechnet etwa 60 Euro.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.