Tag der Offenen Tür der Bundeswehr: Waffen in Kinderhänden

Die Kriegsspiele in der Bad Reichenhaller Kaserne waren makaber. Nun tauchen neue Verstöße auf. Ein Video zeigt, wie Kinder mit echten Kriegswaffen hantieren.

Beste Werbung für die Bundeswehr sollte der Tag der Offenen Tür werden. Das Gegenteil ist der Fall. Bild: Youtube

BERLIN taz | Ein Junge, ungefähr neun Jahre alt, beugt sich über das Maschinengewehr MG3. Sein Vater bückt sich hinter ihm und hilft dabei, den Munitionsgurt in die Waffe zu ziehen. Ein Soldat hockt daneben und erklärt wie es geht. Deutlich zu erkennen: Die spezielle Mütze der Gebirgsjäger. Sie gehören zur Elite der Bundeswehr. Gleich daneben ist ein weiteres Maschinengewehr aufgebaut. Ein Kind schaut durch das Zielfernrohr – offenbar passt niemand auf.

Bevor ein Rekrut ein MG3 in der Grundausbildung eine solche Waffe – ohne Munition – in die Hand bekommt, muss er etliche Belehrungen und Unterrichtsstunden über sich ergehen lassen. Und in Bad Reichenhall, da spielen die Kinder damit.

"Das ist ein klarer Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz", sagte der Jurist und Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes Jürgen Kohlheim der taz. Er hat sich das Video vom Tag der Offenen Tür am 28. Mai für die taz angesehen.

"In der einen Szene sehen wir einen Jungen, der völlig frei steht und mit einer Maschinenpistole zielt", sagt Kohlheim. "Doch nur die Soldaten sind berechtigt, mit den Waffen umzugehen." Dabei komme es nicht darauf an, ob die Waffen geladen oder schussbereit seien. Waffen dürften zudem grundsätzlich erst von 18-Jährigen in die Hand genommen werden. Großkaliber von 21-Jährigen.

Ob es sich dabei um echte Kriegswaffen handelt, wollte der Sprecher des Gebirgsjägerbataillions nicht kommentieren. Der Fall werde untersucht. Waffenexperte Kohlheim ist fest davon überzeugt, dass es sich nicht um Attrappen handelt. "In einer Szene wird der Schlitten einer Pistole zurückgezogen. Das wäre bei Attrappen nicht möglich."

"Kamerad Muli"

Das Video zeigt die Station "Handwaffen" am Tag der Offenen Tür in Bad Reichenhall, dort, wo das 23. Gebirgsjägerbrigade untergebracht ist. Möglicherweise hat es ein Bundeswehrsoldat online gestellt. Aufwendig hat er insgesamt zwölf Videos der verschiedenen Stationen in einer interaktiven Karte auf Youtube verlinkt. Es handelt sich um ein islam-feindliches Profil.

Die Truppe wollte es besonders anschaulich machen. "Es können alle Fahrzeuge, Waffensysteme, Unterkünfte und Arbeitsgeräte der Gebirgsjäger ganz aus der Nähe betrachtet werden", warb der Presseoffizier der Brigade im Vorfeld um Besucher. Mit dabei auch "Kamerad Muli", der Lastesel der Gebirgsjäger.

Am 28. Mai machte auch das linke Bündnis "rabatz" die Bilder von den Kindern, die mit Waffenattrappen auf das Miniatur-Dorf "Klein-Mitrovica" schossen. Im Zweiten Weltkrieg waren Gebirgsjäger in der kosovarischen Stadt Mitrovica an einem Massaker beteiligt. Von 1999 an waren sie erneut als Teil der Friedenstruppen dort im Kosovo stationiert.

Aufgrund der Bilder hat die Staatsanwaltschaft Traunstein Vorermittlungen wegen Volksverhetzung und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz eingeleitet. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft ging bislang davon aus, dass sich der Kriegswaffen-Verstoß nicht erhärten würde. Auf auf den Bildern von Rabatz war deutlich zu sehen, dass es sich um keine echten Waffen handelt. Das Video dürfte die Sachlage verändern.

Nicht der erste Verstoß

Derweil hat "Rabatz" eines neues Bild veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie Kinder mit Kriegswaffen spielen. Es stammt angeblich vom Tag Offenen Tür der Karfreitkaserne in Brannenburg im Juli 2009. Das Gebirgspionierbataillon 8 hatte hier ihren Sitz, bis der Standort im Zuge der Bundeswehrreform 2010 aufgelöst wurde.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Elitetruppe der Bundeswehr in die Kritik gerät. 2010 wurde bekannt, dass Rekruten bei den Gebirgsjägern in Mittenwald als Mutprobe rohe Schweineleber essen oder bis zum Erbrechen Alkohol trinken mussten. 2006 wurden Fotos veröffentlicht, die Soldaten aus Mittenwald dabei zeigten, wie sie mit Totenschädeln in Afghanistan posierten.

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