Venezuelas Präsident: Chávez spielt zum vierten Mal Diktator

Bis Sommer 2012 kann Venuzuelas Präsident Hugo Chávez per Dekret regieren und Gesetze erlassen. Die Sondervollmacht wurde mit der Überschwemmungskatastrophe begründet.

Wo ein Diktator ist, ist auch ein Kind auf seinem Arm. Bild: rtr

BUENOS AIRES taz | Venezuelas Präsident Hugo Chávez regiert ab sofort wieder mit Sondervollmacht. Am Freitag erteilte ihm die Nationalversammlung dazu mit großer Mehrheit die Erlaubnis. Chávez hatte seinen Antrag mit den Folgen der Überschwemmungskatastrophe der letzten Wochen begründet. Bis Juni 2012 kann er jetzt per Dekret und ohne parlamentarischen Segen Gesetze erlassen.

Bei den sintflutartigen Regenfällen sind nach offiziellen Angaben in den letzten Wochen mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen, rund 130.000 Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Über 250 Straßen sind beschädigt, 36 Brücken nicht oder nur noch eingeschränkt passierbar, und gut 50.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind zerstört worden. Niemals zuvor sei es so dringend gewesen, den Marsch in Richtung Sozialismus zu beschleunigen wie jetzt, so Chávez.

Die Sondervollmacht bezieht sich zwar in erster Linie auf den Wohnungsnotstand und die prekäre Lage in der Landwirtschaft. Jedoch kann der Präsident auch bei der Versorgung, der Infrastruktur und der Wirtschaft eingreifen. Das könnte weitere Verstaatlichungen in diesen Bereichen erleichtern. Zudem erlaubt sie Chávez, Änderungen im Bereich der Telekommunikation, im Militärwesen und bei der inneren Sicherheit vorzunehmen. Dass Chávez auch wichtige Steuern nach eigenem Ermessen festsetzen kann, zeigt, wie weit sich das Parlament selbst entmachtet hat. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hat Chávez bereits angekündigt. Die Mehreinnahmen sollen in einen Fonds für den Wohnungsbau gehen.

Doch die noch drei Wochen tagende Nationalversammlung hat nicht nur sich selbst entmachtet, sondern auch gleich die neue Nationalversammlung, die am 4. Januar erstmals zusammentritt. Mit den jetzt bewilligten 18 Monaten ging das Parlament sogar über das Ansinnen von Chávez hinaus. Der hatte lediglich 12 Monate beantragt. "Ein Parlament kann seine Machtbefugnisse der Exekutive übertragen, aber es kann diese Befugnisse nicht über seinen eigene Legislaturperiode hinaus abtreten", kommentiert Teodoro Petkoff, Herausgeber der Zeitung Tal Cual, das Verhalten der Legislative.

Für die Opposition ist das Sondervollmachtsgesetz ein "großes Weihnachtspaket", das das alte Parlament dem Präsidenten noch schnell überreicht. Weil sie im Jahr 2005 die Wahl boykottierte, ist keine Oppositionspartei im gegenwärtigen Parlament vertreten. Chávez Vereinigte Sozialistische Partei, die PSUV, hatte zwar bei der Wahl im vergangenen September die Zweidrittelmehrheit eingebüßt, verfügt aber in der neuen Nationalversammlung noch über eine einfache Mehrheit.

Kritische Worte kommen auch aus der US-Administration. Chávez untergrabe den Willen der venezolanischen Bevölkerung, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley. Er verstehe es auf immer neue und kreative Weise seine autokratische Machtfülle zu rechtfertigen, so Crowley.

Kaum hatte das Parlament am Freitag dem Gesetz zugestimmt, da hat es Chávez schon offiziell verkündet. Was gegenwärtig im Parlament geschehe, nehme nur vorweg, dass sich die nächste Nationalversammlung "in ein Schlachtfeld verwandeln wird," so der ehemalige Oberstleutnant. "Sie werden nicht ein einziges Gesetz zustande bringen, die Möchtegern-Yankees", sagte Chávez dabei in Richtung der zukünftigen Opposition in der Nationalversammlung.

Chávez regiert damit zum vierten Mal mit Sondervollmacht. 1999 hatte er sechs Monate lang freie Hand im Wirtschaftsbereich. 2000 befugte ihn das Parlament zu Eingriffen bei der Sicherheit, der Organisation des Staates und der Infrastruktur. Zuletzt erteilte die Nationalversammlung im Januar 2007 Hugo Chávez Sondervollmachten für 18 Monate.

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