US-Blog "Techcrunch": AOL kauft Taktgeber der Netz-Szene

Techcrunch gehörte zu den letzten großen unabhängigen Blogs in den USA - und macht Millionenumsätze. Nun hat der ehemalige Online-Dienst AOL es sich einverleibt.

Reibt sich die Hände: AOL-Boss Tim Armstrong. Bild: ap

Eine Medienrevolution sollen Blogs sein - und eine neue Stimme finden, die in der verlagsgesteuerten Presse so stets unterdrückt wird: meinungsstark, manchmal kontrovers, eben einfach anders. Nebenbei können sie auch noch kritischen Journalisten ermöglichen, neue unternehmerische Betätigungsfelder zu finden - fernab von den häufig profitorientierten Konzernen.

Wenn der größte Medienmarkt der Welt, die USA, ein internationales Vorbild sind, dann scheinen diese Träume allerdings nicht in Erfüllung zu gehen. Die Anzahl erfolgreicher Blogs mit ordentlichen Umsätzen, die nach wie vor unabhängig arbeiten, tendiert mittlerweile gegen Null. Stattdessen verleiben sich Medienkonzerne einen einst unabhängigen Dienst nach dem anderen ein. Das jüngste Beispiel wurde am Dienstag bekannt: Techcrunch, einer der nachrichtlichen Taktgeber der Internet-Szene, wird vom ehemaligen Online-Dienst AOL übernommen. Der ist gerade dabei, sich zum werbefinanzierten Internet-Medienriesen aufzuschwingen. 30 Millionen Dollar sollen bei dem Deal geflossen sein.

Techcrunchs kurze Unabhängigkeit

"Wir haben uns Techcrunch geschnappt", schrieb AOL-Boss Tim Armstrong triumphierend in einem eigenen Posting auf Techcrunch. Das wurde mit ziemlich viel Häme seitens der Kommentierenden bedacht: "Michael liest keine Pressemitteilungen", schrieb da beispielsweise ein Leser mit Bezug auf Michael Arrington, Techcrunchs Gründer, "da ist es mehr als eine Ironie des Schicksals, dass die Übernahme per Pressemitteilung angekündigt wird". AOL-Boss Armstrong ficht das nicht an: Der ehemalige Google-Manager versucht seit letztem Jahr, aus AOL, dem angestaubten Netzriesen, einen modernen Content-Konzern zu formen.

Michael Arrington hatte Techcrunch ab 2005 aufgebaut. Mit einem großen Nachrichtenfluss und diversen Exklusivgeschichten hat er den Blog zu einem der wichtigsten zum aktuellen Stand der Internet-Industrie gemacht - wenn nicht dem wichtigsten. Umsätze im zweistelligen Millionenbereich schaffte er damit. Dabei begriff er sich nicht als Reporter im traditionellen Sinn, sondern brachte auch viel Meinung in seine Texte - für externe Beobachter manchmal zu viel. Außerdem wurde Arrington stets eine große Nähe zu Web-Firmen und Investoren nachgesagt: "Das sind alles meine Freunde und ich schätze Unternehmer einfach", begründete er das. Dennoch trotzte er sich mit diversen Scoops viel Respekt von "richtigen" Journalisten ab, selbst die "New York Times" zitierte ihn.

Die US-Blogosphäre wandelt sich

Mit dem Aufkauf von Techcrunch setzt sich die Marktkonzentration im "New New Media"-Bereich fort. Einst unabhängige US-Blogger wie Andrew Sullivan schreiben für Medien wie den "Atlantic". Engadget, ein höchst erfolgreiches Tech-Blog, gehört bereits seit mehreren Jahren zu AOL. Mashable, ein Social Media-Neuigkeitendienst, soll ebenfalls mit AOL in Verhandlung stehen. Die Huffington Post war einst mit großen Hoffnungen als neues unabhängiges Medium gestartet. Aber der Blog trägt sich noch immer nicht selbst, finanziert sich nach wie vor von Millioneninvestments aus Risikokapitaltöpfen - inhaltlich wird sie zudem immer mehr zum Boulevardmedium. Das Business-Insider-Netzwerk des ehemaligen Börsenanalysten Henry Blodget versucht derweil, sich zu professionalisieren - für die Nutzer bedeutet das vor allem immer mehr Anzeigen.

Noch unabhängig ist indes Gawker Media, einer der Prototypen für erfolgreiche Groß-Blogs. Das vom Ex-Journalisten Nick Denton in New York betriebene Unternehmen mit verschiedenen Nischenblogs ist allerdings bekannt für seine hohe Mitarbeiterfluktuation und die Launen des Chefs. Zuletzt begann er damit, seine Angebote "fernsehmäßiger" umzugestalten - mit großen Bildern und kleineren Texten, denn die Menschen lesen, so Dentons Einschätzung, einfach weniger.

Bei Techcrunch soll nun auch unter AOL zunächst alles weitergehen wie bisher. Arrington wird laut Vertrag drei Jahre im Unternehmen bleiben, was die Seite auch dringend nötig haben dürfte. Von AOL habe er sich inhaltliche Freiheit zusichern lassen, sagte er auf einer Konferenz. Wie weit die geht, wird sich zeigen.

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