Panel "kritische Öffentlichkeit": Jörges gegen den Rest der Welt

Qualität im Journalismus? Die Pressemänner Jörges und Schimmeck streiten darüber, als gäbe es kein Bespaßungs-TV à la RTL2 und Co.

Hans-Ulrich Jörges und Tom Schimmeck im freundschaftlichen Streitgespräch. Bild: britta leupold

Wer hätte das gedacht? Waldorf und Statler, die beiden Alten aus der Muppet Show, die normalerweise von ihrer Loge herab den Rest der Welt verarschen, sind auf dem taz-Kongress - und geben auch noch ihre dezidierten Meinungen zur kulturpessimistisch gefärbten Frage "Was ist heute noch kritische Öffentlichkeit?" zum Besten.

Rein äußerlich sind sie schwer zu erkennen, denn sie haben sich gut getarnt: als Hans-Ulrich Jörges und Tom Schimmeck nämlich. Doch sobald sie den Mund aufmachen, ist klar, dass diese beiden einander in herzlicher Uneinigkeit verbunden sind. Nachdem der stellvertretende Stern-Chefredakteur Jörges in seinem kurzen Einführungsvortrag selbstzufrieden festgestellt hat, dass es heute mehr kritische Öffentlichkeit gibt als je zuvor, "bloß anders, breiter, demokratischer", entgegnet taz-Mitgründer Schimmeck: "Ich würde dir in fast allen Punkten rigoros widersprechen."

Der Ring war also eröffnet. Zum Vergnügen des Publikums (und nicht zuletzt der beiden Alten selbst) beharkten sich Jörges und Schimmeck ausdauernd - was kurzweilig war und recht unterhaltsam - genauso fluffig eben, wie die meisten Menschen sich heutzutage offenbar ihr Fernsehprogramm wünschen. Zumindest rechtfertigen die Programmmacher mit diesem Argument - das wollen die Leute eben sehen! - Auswandererdokusoaps und ähnlich irrelevante Formate zur PrimeTime.

Dass die Gesellschaft immer mehr in zwei Lager auseinanderfällt, dass einige wenige gut informiert und engagiert sind, das Gros der Menschheit aber lieber auf dem Sofa sitzt und RTL2 guckt, konnte man bei der von taz-Chefredakteurin Bascha Mika moderierten Diskussion fast vergessen.

Denn trotz teilweise heftiger Kontroversen einte Podiumsteilnehmer und Publikum eben ihre rege Teilhabe, die Überzeugung, dass kritische Öffentlichkeit wichtig ist, vielleicht wichtiger denn je. Und dass sie jeden Tag aufs Neue verteidigt werden muss gegen Lobbyinteressen und die grassierende Verflachung. "Die breite Masse ist völlig entgeistet", stellte Schimmeck angesichts des Erfolgs der Hundemagazine "Dogs" und "Dogs today" fest. "Humoristischer Bullshit!", konterte Jörges. "So simpel ist die Wirklichkeit nicht."

Dass das Fernsehen besser ist als sein Ruf und auch für taz-Leser genießbare Sendungen bereithält, brachte die Fernsehkritikerin und frühere taz-Chefredakteurin Klaudia Wick in die Runde ein. Als Beispiel nannte sie die investigative Doku " Das Schweigen der Quandts" zur NS-Vergangenheit der Industriellenfamilie, die, obwohl sie in den Programmzeitschriften aus Angst vor juristischen Interventionen der Quandts nicht angekündigt wurde, bei der Erstausstrahlung eine Million Zuschauer hatte - abends um elf. Dafür zahle sie gerne Rundfunkgebühren, sagte Wick.

Solche Renommierdokus ändern für ver.di Publik-Chefredakteurin Maria Kniesburges nichts daran, dass sie "große Lücken in der Berichterstattung" sieht. "Auch und gerade für die alltäglichen Skandale müsste in den Medien einfach Platz sein." Darüber etwa, dass 1,5 Millionen Deutsche Vollzeit arbeiten und trotzdem aufs Amt müssen, weil sie von ihrem Gehalt alleine nicht leben könnten.

Die Weltwirtschaftskrise als ein großes Thema unserer Zeit komme in den Medien zwar vor, aber, kritisierte Schimmeck, "die Systemfrage wird nicht gestellt - nicht mal partiell." Schimmeck beobachtet eine "Verhöhnung von Leuten, die anders denken wollen, die Nachfragen stellen." Und aus dem Publikum unterstützte ihn Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann: "Die gesamte Branche hat sich in den Mainstream eingefügt, weil das die schnelle Karriere verheißt." Die innere Pluralität in den Medien habe ab- und nicht zugenommen. Schumann muss es wissen, hat er doch den Spiegel einst verlassen, weil er da nicht schreiben durfte, was er wollte.

Um die Binnenpluralität des Podiums machte sich Hans-Ulrich Jörges verdient, der, obwohl mal wieder keiner seine Ansichten teilte, bis zum Schluss darauf beharrte, dass es in Deutschland gut bestellt ist um die kritische Öffentlichkeit. "Demos gegen Neonaziaufmärsche etwa macht die Gesellschaft heute von ganz alleine", sagte Jörges. "Die Öffentlichkeit ist sehr viel klüger geworden, selbstständiger."

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