Bernd Eichinger und das Filmgeschäft: "Ich stelle keine Fragen"

Man muss selbst seine Geschichte erzählen: Wenn Bernd Eichinger für seine Sache warb, zeigten sich Wahnsinn und Banalität des Filmgeschäfts.

Getriebener im Filmgeschäft: Bernd Eichinger. Bild: dpa

Es war schon eine seltsame Sprechsituation. August 2004. Der Film "Der Untergang" sollte bald in die Kinos kommen. Die Zeitungen waren längst voll davon. Interviewtermin im Berliner Hotel Adlon; gerade einmal 300 Meter von dem Ort entfernt, an dem der Führerbunker lag, dachte man unwillkürlich. Der normale Promo-Irrsinn mit aufgeregten Pressedamen und KollegInnen im Kampf mit ihren Aufnahmegeräten. Bruno Ganz, den man zuvor in der Pressevorführung heftig zitternd als Hitler himself gesehen hatte, stand in einem Flur jetzt als Bruno Ganz an eine Wand gelehnt; so beflissen er als Hitler war, als Bruno Ganz sah er leicht fehlbesetzt aus. Zu scheu.

Bernd Eichinger kam dann gerade vom Klo, als man nach einiger Warterei in den Interviewraum geführt wurde. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Vielleicht ein Darminfekt, dachte man. Aber natürlich vermutete man auch, dass er gekokst haben könnte oder so. Filmszene halt, die Fassbinder-Nummer.

Film-Tycoons kennt man in Deutschland ja nur aus dem Kino. Und von Bernd Eichinger. Als Film-Tycoon, der gerade Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um eine große Geschichte zu erzählen, war Bernd Eichinger an diesem Tag zwar ganz eindrucksvoll, aber die Mühen, die das kostete, meinte man auch zu sehen. Er wirkte überraschend verletzlich.

Man hatte Fragen im Kopf. Einige Tage zuvor hatte Eichinger mit dem Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg diskutiert. Eichinger hatte gesagt: Natürlich ist der "Untergang" auch Unterhaltung. Und: Er wolle, was die Nazizeit betrifft, kein Oberlehrer sein. Die Zuschauer sollten selbst für sich Folgerungen daraus ziehen. Eichinger wörtlich: "Ich stelle keine Fragen. Ich bewerfe Sie mit Tatsachen." Und er hatte gesagt, dass man die großen deutschen Geschichten nicht Hollywood überlassen dürfe; man müsse sie selbst erzählen. Über jede dieser Aussagen ließen sich ganze Tagungen abhalten.

Im Adlon aber saß eine People-Journalistin mit am Tisch. Sie stellte Fragen nach der "Untergang"-Hauptdarstellerin Alexandra Maria Lara und den Unterschieden des Promi-Lebens in Amerika und Europa. Eichinger antwortete ausschweifend, eine Sprechmaschine. Er machte diese Interviews schon den ganzen Tag. Es ging ihm erkennbar nicht gut, aber er hielt durch. Solche Termine gehören eben zum Teufelspakt namens Filmbusiness. Nach 20 Minuten war die Zeit dann um.

Gut. Was ihn getrieben hat, diesen Film zu machen, was ihn überhaupt immer so angetrieben hat, hat sich an diesem Termin also nicht klären lassen. Manche sagen, es sei bei ihm diese 68er Getriebenheit gewesen, die eigenen Eltern zu verstehen. Aber vielleicht war es auch nur Getriebenheit um ihrer selbst willen. Etwas von diesem Wahnsinn des Geschäfts, so wie Bernd Eichinger es betrieb, und zugleich von seiner Banalität hat man schon verstanden. Bei sich zu sein war dabei nie vorgesehen.

Er hatte ja im Grunde recht: Man muss selbst seine Geschichten erzählen. Vielleicht hat er nur nie die richtige Form gefunden, wie.

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