Berliner Verfassungsschutzbericht: Islamismus jetzt okay

Innensenator plädiert für Neudefinition des Begriffs Islamismus. Zu sehr werde er mit Islam gleichgesetzt und grenze damit eine ganze Bevölkerungsgruppe aus.

Denkt über neue Worte nach: Innensenator Ehrhart Körting. Bild: ap

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat sich für eine Neubewertung des "Islamismus" eingesetzt. Der Begriff sei wissenschaftlich verfehlt, schreibt Körting im Vorwort des Berliner Verfassungsschutzberichtes 2010, der am Dienstag vorgestellt wurde. Weder Katholizismus noch Hinduismus oder Buddhismus würden in der öffentlichen Wahrnehmung mit Extremismus in Verbindung gebracht, sagte Körting. Nur bei Islam und Islamismus gebe es diese Gleichsetzung. Man müsse daher "sehr deutlich trennen zwischen Terroristen, die unsere Demokratie ablehnen, und Menschen, die nur ihren Glauben haben".

Wenn er als Senator Moscheen besuche, werde er häufig gefragt, ob er wieder "zu seinen Islamisten" ginge, erzählte Körting. Er müsse dann sagen: Ja, das stimmt. Er plädiert daher dafür, Menschen, die den Islam für politische Zwecke instrumentalisieren, nicht mehr allein als "Islamisten", sondern als islamistische Extremisten zu bezeichnen.

Es gebe Gruppen, die islamistische Gesellschaftsbilder für einen Teil der Bevölkerung umsetzen wollen, die aber Gewalt ablehnen, ergänzte Berlins Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid. Die seien ein Fall für die gesellschaftliche Debatte, nicht aber für die Terrorabwehr.

Zahlen korrigiert

Aktuell geht der Verfassungsschutz von 450 gewaltorientierten Islamisten in Berlin aus, 40 mehr als im Vorjahr. Das bedeute aber nicht, dass ihre tatsächliche Zahl gestiegen sei, so Schmid. Vielmehr habe ihr Amt einen besseren Einblick in die hiesige Hisbollah bekommen und daher die Zahl nach oben korrigiert.

Die Gefahrenlage schätzt Körting nach wie vor hoch ein. Anders als im November gebe es aber derzeit "keinerlei Hinweis auf konkrete Anschläge". Insgesamt habe sich der islamistische Terrorismus seit 2001 vollkommen verändert. "Wir haben kaum noch reisende Terroristen." Deshalb halte er auch die Beobachtung von Fluggastdaten für "nicht relevant". Gefährlicher sei die Radikalisierung im Land. Besonders erfolgreich seien die Salafisten. Denen gelinge es mit Predigern und einem Rapper, junge Leute für den Dschihad zu begeistern. Deshalb hat der Verfassungsschutz Gegenargumente in einer Broschüre zusammengefasst. In der Anfangsphase ihrer Radikalisierung könnten junge Menschen damit irritiert werden, so Schmid.

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