: Terrorismus im Namen der Nächstenliebe
Unter dem Deckmantel sozialer Organisationen sammeln pakistanische Gruppen Geld für die Terrorplanung
ISLAMABAD taz ■ Die Behörden in Pakistan unterstreichen gerne ihren eigenen Beitrag zur Terrorbekämpfung. Und verweisen stolz darauf, dass die Festnahme von Terrorverdächtigen in London auf ihre Hinweise zurückzuführen sei. Doch das positive Selbstbild zeigt Risse. Am Montag berichteten die Washington Post und die New York Times, dass „pakistanische Wohlfahrtsorganisationen“ zur Finanzierung des globalen Terrors beitrügen. Beide Zeitungen zitieren einen namentlich nicht genannten pakistanischen Ermittler, nach dem eine Organisation mit dem Namen „Jamaat ud Dawa“ in britischen Moscheen Geld für Pakistans Erdbebenopfer gesammelt, einen Teil davon jedoch zur Finanzierung von Anschlägen verwendet haben soll. Bei Ermittlungen zur Verwendung dieser Spendengelder sei der britische Geheimdienst auf das Terrornetzwerk von London gestoßen.
„Dawa“ steht für Diskurs oder Wettstreit um die Einhaltung des rechten, göttlichen Weges, des persönlichen wie auch kollektiven Dschihads. „Jamaat ud Dawa“, die Vereinigung der Berufenen, wurde 2002 durch Hafis Mohammad Said als soziale Nachfolgeorganisation für die von ihm geführte, aber als terroristische Vereinigung verbotene „Armee der Reinen“ (Lashkar-i-Toiba) gegründet. „Jamaat ud Dawa“ hat vor den Toren der südöstlichen Metropole Lahore eine eigene Stadt gegründet, in der eine Universität, Internate und soziale Einrichtungen betrieben werden. Das Erdbeben vom Oktober 2005 zeigte Dawas Effizienz und Präsenz. „Der Arbeit von Jamaat ud Dawa gebührt besonderes Lob, da ihre Freiwilligen die Ersten waren, die das Erdbebengebiet erreichten“, so der Premierminister des von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs, Sardar Sikander Hayat.
Nachdem Präsident General Pervez Musharraf im Jahre 2002 die in Afghanistan und im indischen Teil Kaschmirs operierenden militärischen Organisationen verbieten ließ, wurden als Auffangorganisationen soziale Bewegungen gegründet. Die Trainingslager der Mudschaheddin blieben zudem offen.
Aus der „Bewegung der Heiligen Krieger“ wurde die Gemeinschaft zum Wohlfahrtsdienst (Al Khidmat Welfare Society). Die „Armee der Gefolgsleute des Propheten“ firmiert als Al-Rashid-Stiftung. Ataur Rehman, Bruder des Vorsitzenden der Partei der Islamischen Geistlichen, Fahlur Rehman, leitet die Nachfolgeorganisation der „Armee des Propheten“, den Al Khair Fond. Mit diesen Organisationen wird der in Pakistan verhaftete und als Schlüsselfigur des Londoner Netzwerkes bezeichnete Raschid Rauf in Verbindung gebracht.
Alle Organisationen unterhalten Koranschulen und sind bis heute in der vom Erdbeben betroffenen Region aktiv. Sie finanzieren sich durch Spenden ihrer Mitglieder und sammeln Geld während religiöser Feiertage. In britischen Moscheen sollen 10 Millionen Dollar gesammelt worden sein, wovon aber nur die Hälfte die Erdbebenopfer erreicht haben soll. Nach Angaben des pakistanischen Zentrums für Philanthropie werden allein durch die pakistanische Diaspora in den USA jährlich 100 Millionen Dollar direkt nach Pakistan gespendet. NILS ROSEMANN