Virales Video im US-Wahlkampf: Die Angst vor dem Nichtwähler

Die Welt im Schockzustand: Barack Obama hat die Wahl verloren! McCain triumphiert, die Demokraten trauern. Wer ist schuld? Der Autor dieses Textes. Weil er verschlafen hat.

Nachrichten, die man lieber nicht gesehen hätte. Bild: screenshot: cnnbcvideo.com

Der Nachrichtensprecher blickt ungewöhnlich finster drein: "Die Nation wird heute von der Meldung erschüttert, dass Barack Obama die Wahl durch ein einzige fehlende Stimme verloren hat!" Darunter wird die Schlagzeile eingeblendet: "Volk erzürnt über Nichtwähler." Ein einziger Anhänger der Demokraten hat die Wahl verpennt, und McCain ist Präsident geworden.

Der Schuldige ist auch schon gefunden: Ich war's. Oder besser gesagt, jeder, dem Freunde oder Kollegen einen personalisierten Link für dieses Video auf der Website cnnbcvideo.com zukommen lassen. Die Website passt das gefakte Nachrichten-Video jeweils an den Namen des Empfängers der E-Mail an.

Dadurch erscheint man plötzlich persönlich beschuldigt, die Niederlage des demokratischen Präsidentschaftskandidaten verursacht zu haben. Weil man am Wahltag zu faul war, sich aus dem Bett zu bequemen.

Das Video führt einem die potentiell unschönen Folgen des Nicht-Wählens drastisch vor Augen: Eine Obama-Anhängerin im Video flucht derart hemmungslos, dass die meisten ihrer Worte ausgepiepst werden. In Graffitis wird man geschmäht. Über einem Kircheneingang steht:"Alle willkommen. Bis auf [Dietmar Kammerer]." Und zum Schluss wird man noch von Ex-Präsident Bush gelobt.

Die Website cnnbcvideo.com ist ein Ableger der unabhängigen Internet-Plattform MoveOn.org, die für die Unterstützung von Barack Obama wirbt. Hinter der spaßigen und technisch beeindruckenden Kampagne steht die Angst der demokratischen Anhänger, dass der Wahlausgang trotz der aktuellen Umfrageergebnisse, die Barack Obama deutlich vorne sehen, doch noch knapp werden könnte. Das Trauma der Präsidentschaftswahl aus dem Jahr 2000, als George W. Bush nach einer umstrittenen Wahl mit einem Vorsprung von lediglich 537 Stimmen im Bundesstaat Florida ins Weiße Haus einziehen konnte, ist offenbar noch nicht verdaut.

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