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Archiv-Artikel

Standortpflege für die Oase

G 20 Das geplante Abkommen gegen Steuerhinterziehung wird bereits historisch genannt. Ans Leder geht es aber nur den Hoeneß und Zumwinkels

VON NICOLA LIEBERT

Wladimir Putin hat es schon vorab als „bedeutendsten Schritt der vergangenen 100 Jahre“ gepriesen, das Steuerabkommen, das die G 20 auf ihrem Gipfel in Sankt Petersburg verabschieden will. Der gemeinsame Kampf gegen Steuerflucht und Steuervermeidung ist einer der Schwerpunkte auf dem Treffen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer am 5. und 6. September in der russischen Ostseemetropole. Seit Ende vergangenen Jahres bekannt wurde, dass beispielsweise Starbucks oder Google kaum Steuern zahlen, können selbst wirtschaftsfreundliche Regierungen nicht mehr einfach über die Steuergestaltungstricks multinationaler Konzerne hinwegsehen. Jedenfalls nicht, solange sie ihr Wahlvolk einem brutalen Spardiktat unterwerfen.

Dabei wird es nicht das erste Mal sein, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G 20 darauf einigen, Steueroasen trockenzulegen. Schon auf dem Gipfel 2009 in London hatten sich deshalb alle freudig die Hände geschüttelt. In der Finanzkrise brauchten die Staaten dringend Geld, Steuerhinterziehung galt plötzlich nicht mehr als Kavaliersdelikt. Außerdem hatte die Krise noch ein weiteres Problem ans Licht gebracht: Steueroasen lockten nicht nur private Steuerhinterzieher wie Bayern-Präsident Uli Hoeneß an. Dank der geringen Regulierung hatten auch zahlreiche Banken ihre Spekulationsgeschäfte in Steueroasen wie Irland oder Delaware verlegt, so etwa die deutschen Pleitebanken Sachsen LB und IKB.

Die G 20 hatte damals beim Industrieländerclub OECD eine schwarze Liste von Steueroasen bestellt – eine im Prinzip höchst sinnvolle Maßnahme, weil dann die aufgelisteten Länder beispielsweise durch Strafsteuern oder die Kündigung von Steuerabkommen gezielt unter Druck gesetzt werden können. Doch die OECD-Liste der „unkooperativen Steueroasen“ ist längst wieder leer. Die Steuerflucht geht aber ungehindert weiter.

In Sankt Petersburg wollen die Staats- und Regierungschefs es besser machen. Das Problem haben sie richtig erkannt: Die bisherige internationale Steuerpraxis taugt nichts. Steueroasen müssen sich lediglich bereiterklären, auf gezielte Anfrage hin Informationen an andere Steuerbehörden weiterzuleiten, um von allen schwarzen Listen gestrichen zu werden. Solche Anfragen setzen allerdings voraus, dass die Steuerfahnder schon alles über einen Steuerflüchtling wissen: nicht nur seinen Namen, sondern auch wo und in welcher Bankfiliale er sein Vermögen versteckt hat. Das ist bisher nur dann der Fall, wenn jemand die Kundendaten einer Schweizer oder Liechtensteiner Bank auf CD brennt und den deutschen Behörden zum Kauf anbietet. Nur so war vor fünf Jahren der damalige Postchef Klaus Zumwinkel mit seiner steuersparenden Stiftung in Liechtenstein aufgeflogen. Alle anderen Steuerflüchtlinge bleiben im Allgemeinen aber unerkannt.

Die G-20-Finanzminister haben deshalb auf ihrem Treffen Ende Juli einen von der OECD vorgelegten Aktionsplan verabschiedet. „In der internationalen Steuerpolitik haben wir ein Momentum, wie wir es lange nicht gehabt haben“, freute sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble anschließend. Bis nächstes Jahr soll ein Musterabkommen über einen automatischen Informationsaustausch vorliegen, der den bisherigen Austausch auf Anfrage ersetzen soll. Wenn etwa ein deutscher Bürger in der Schweiz Einnahmen durch Zinsen, Dividenden oder den Verkauf von Finanzanlagen erzielt, soll der deutsche Fiskus künftig automatisch Meldung erhalten.

Automatischer Informationsaustausch ist gut. Sehr gut sogar, wenn es um die Bekämpfung der Steuerhinterziehung reicher Privatpersonen geht. Das Problem ist nur: Wenn Apple nur 1,9 Prozent Steuern auf seine üppigen Gewinne außerhalb der USA zahlt, wie vor einiger Zeit bekannt wurde, dann braucht die hippe Computerfirma dazu kein Nummernkonto in der Schweiz. Wollen Konzerne Steuern sparen, investieren sie einfach im Niedrigsteuerland Irland, unterhalten eine steuerbegünstigte Gesellschaft für Lizenzgeschäfte in den Niederlanden, verschieben am Ende ihre Gewinne nach Bermuda – und schon ist die Steuerlast weitestgehend abgeschüttelt. Das nennt sich dann „Double Irish with Dutch Sandwich“ – und ist vollkommen legal. Dagegen hilft auch nicht der automatische Informationsaustausch.

Viele Schlupflöcher

Stattdessen bräuchte es Druck auf De-facto-Steueroasen wie Irland und die Niederlande, ihre skandalösen Vergünstigungen abzuschaffen. Es bräuchte internationale Abkommen, die die Schlupflöcher in den bislang nur bilateralen Verträgen schließen. Es bräuchte Offenlegungspflichten für Unternehmen, wo sie welche Gewinne erzielen und welche Steuern sie darauf zahlen. Die Diskussion darüber ist bereits in Gang gekommen, auch in der OECD, die G 20 müsste sie nur aufgreifen.

Leider hat es jedoch den Anschein, als solle auch diesmal den Bürgern der G-20-Länder wieder Sand in die Augen gestreut werden. Sie sollen den Eindruck haben, als trieben die Staaten von den Konzernen das dringend benötigte Geld ein. In Wirklichkeit aber werden diese in Ruhe gelassen. Denn in einem globalen Standortwettbewerb gilt so etwas immer noch als vernünftige und notwendige Wirtschaftsförderung. Auf Kosten aller anderen Steuerzahler.