Die SPD hatte auch vor 1998 Probleme, den eigenen Standort zu benennen und Wähler anzusprechen. Seit der Agenda-2010 bricht allerdings das Fundament der Partei entzwei, wie Scheer richtig darstellt. Die SPD hat sich für ein soziales Millieu entschieden, dass recht klein und stark umkämpft ist. Ein Markenzeichen hat sie nicht mehr. Ypsilanti ist in Hessen tatsächlich mit einer SPD an den Start gegangen, die an die 80er und 90er Jahre erinnert. Nur leider hat sie damit auch nicht klar gewonnen, wenn auch respektabel abgeschnitten.
In Hamburg hat ein rechter Kandidat - Naumann - auch ein respektables Ergebnis geholt, obwohl die dortige SPD zerstört ist. Die SPD ist nichts Ganzes und nichts Halbes - das ist die traurige Wahrheit. Wenn sich diese Partei klar positioniert, verliert sie immer. Wenn sie diesen klaren Kurs der Agenda 2010 weiter fortführt, wird sie definitiv weiter verlieren.
Der Parei fehlt die Basis, die große Vision und die überzeugenden Köpfe. Früher hatte die Partei Menschen aus der Immigration, aus dem Widerstand und aus Millieus. Das ist vorbei - die heutige Politikergarde hat geradeaus in der Politik Karriere gemacht. Eine buntere Biographie gibt es dort nicht. Auch das ist Grund, warum die SPD nicht mehr Fuß faßt.
Ich finde, dass Scheer recht hat mit vielen Aussagen, aber sein linker Flügel wirft genauso viele Fragen auf und ist innerhalb der Partei in den letzten Jahren immer mehr geschrumpft. Auch der Linken in der SPD fehlt die Botschaft und der Wind hinter den Segeln. Der Linke Nachwuchs rekrutiert sich exklusiv aus dem Jusos-Bundesvorstand und einigen Lokalpolitikern. Auch diese Leute tragen blaßes Grau und reißen kaum jemanden vom Hocker. Diesem linken Flügel fehlen auch die bunten, energischen und volksnahen Köpfe.
Ich erwarte nicht, dass die SPD nochmals auf die Bein kommt.
Wenn diese Debatte von Scheer in der Partei überhaupt ernst genommen wird, werden spätestens seine Widersacher Clement, Steinbrück und Schröder in ihrer umnachteten und niveaulosen Art diese Debatte nicht fortführen können, weil sie nur unter Verlust könnten.
Der Macht und Bedeutungsverlust von sozialdemokratischen Parteien ist nämlich, wie Scheer richtig schreibt, auch ein europäisches Phänomen. Wenn allerdings - wie in Skandinavien die Arbeitslosigkeit gering und die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sehr hoch sind - kommt dabei was anderes heraus als in Deutschland.
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