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Archiv-Artikel

Obdach in Kirchen und Moscheen

UNTERSTÜTZT In Hamburg kämpfen rund 300 Flüchtlinge mit dem europäischen Asyl- und dem deutschen Baurecht, das ihnen die Übernachtung erschwert

HAMBURG taz | Bis zu 300 libysche Flüchtlinge befinden sich seit Ende vorigen Jahres in Hamburg. Sie waren zunächst im Winternotprogramm unterbracht, danach wurden sie auf die Straße gesetzt. Sie geben an, Wanderarbeiter aus Ghana, Nigeria, Togo und weiteren westafrikanischen Ländern zu sein, die 2011 aus Libyen nach Italien flohen. Mehrfach wurden sie in jüngster Zeit Opfer falscher Berichterstattung: Sie wurden als Söldner Gaddafis, Messerstecher und Kriminelle bezeichnet. Alle Vorwürfe wurden von der Gruppe und ihren Vertretern widerlegt.

Vor einem Zelt am Omnibus-Bahnhof stehen am Samstag rund 20 afrikanische Flüchtlinge. Sie wollen auf ihre Obdachlosigkeit aufmerksam machen. „Wir haben nicht den Nato-Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben“, steht auf dem Transparent, das sie über das Zelt gespannt haben. Übernachten dürfen sie hier nicht. Vor fünf Wochen erlaubte das zuständige Bezirksamt ihnen lediglich, eine Dauermahnwache zu machen, das Zelt dürfe nur eine symbolische Funktion haben.

Obdach haben etwa 80 Flüchtlinge in der St.-Pauli-Kirche und weiteren Gemeinden gefunden, die nicht genannt werden wollen. „Uns wird vorgeworfen, Gewalttäter in unserer Kirche zu schützen“, sagte Sieghard Wilm, Pfarrer der St.-Pauli-Gemeinde. Er berichtet von telefonischen Drohungen und Beschwerden der Nachbarn.

300 Euro von Italien

Die Forderungen der Afrikaner nach einer Aufenthaltserlaubnis laufen bislang ins Leere. Der SPD-Regierung seien die Hände gebunden, sagt Sozialsenator Detlef Scheele. Das Europarecht sieht vor, dass Flüchtlinge nur dort Asyl beantragen können, wo sie EU-Territorium betreten haben – ihr Ankunftsland war Italien. Das hatte sie im Herbst mit einem Touristenvisum und 300 Euro ausgestattet – und nach Deutschland geschickt.

Der Hamburger SPD-Senat müsse ihnen „ein Bleiberecht aus humanitären Gründen gewähren“, fordert der Sprecher der Linkspartei, Bela Rogalla. In mehr als 200 Verwaltungsgerichtsurteilen aus der ganzen Bundesrepublik seien Abschiebungen von Flüchtlingen nach Italien als „rechtswidrig“ bezeichnet worden, so Rogalla: „Deshalb muss jetzt den Flüchtlingen eine Lebensperspektive geboten werden.“

Auch zwei muslimische Gemeinden kümmern sich um die Flüchtlinge. In der Kleinstadt Glinde am östlichen Hamburger Stadtrand hat eine Moscheegemeinde zwölf von ihnen aufgenommen. Eine sunnitische Gemeinde in Hamburg versorgt 50 bis 60 Flüchtlinge seit rund zwei Monaten morgens und abends mit Essen. Die Gemeindemitglieder, die zumeist ebenfalls aus Westafrika stammen, haben rund 15.000 Euro gespendet. Ihr Gepäck dürfen die Flüchtlinge dort unterstellen, aber nicht über Nacht bleiben. Schuld ist das deutsche Baurecht: In dem Haus war einst eine Kegelbahn, deshalb sind Übernachtungen verboten. LKA, SMV