c/o pop, das Musik-Festival in Köln: Eine Erneuerung aus der Nische
Zum fünften Mal gab es in Köln das Musikfestival c/o pop. Es hat den Wegzug der PopKomm kompensiert. Zum Jubiläum hat es vor allem die nichtelektronische Musik gestärkt.
D ie c/o pop wurde 2004 von einem Zusammenschluss lokaler Veranstalter in Kooperation mit dem Kölner Kulturamt ins Leben gerufen - als besserer Ersatz für die gerade nach Berlin abgewanderte PopKomm: ebenfalls ein Musikfestival samt Messe und Business-Teil, ebenfalls im August. Grundidee dabei ist aber, anders als bei der PopKomm, in Sachen Programm eben nicht zu nehmen, was kommt, sondern entlang einem geschmacklichen Profil zu operieren - lieber szeneglaubwürdig als "big" um jeden Preis. Und: die lokal ohnehin vorhandenen Energien und Infrastrukturen nutzen, bündeln und nach außen bringen. Eben "Cologne on Pop", um den Namen mal auszuschreiben.
Klar: Diese lokale "Erdung" ist an sich noch nichts Besonderes. Auch die auffällig geschmackssichere Orientierung am Pop-Underground ist für ein Festival nicht so ungewöhnlich. Für eine Messe aber schon. Beim professionellen Teil der c/o pop geht es nicht um das große Geld (das sich mit Popmusik ohnehin nicht mehr leicht verdienen lässt - im Zeitalter von Downloads, MySpace und YouTube einerseits, allgemeiner Rezession, die sich bekanntlich im Ausgehverhalten der Leute als Erstes bemerkbar macht, andererseits). Stattdessen liegt das Augenmerk auch dieses Jahr auf den Möglichkeiten der "neuen" Medien.
Die ständige Verfügbarkeit aller Informationen kreativ zu nutzen, anstatt über den Zerfall der hergebrachten Vertriebswege zu jammern, so könnte man die Haltung der c/o pop mit einem Blick auf das Panel-Programm paraphrasieren. Um jeden Preis gegen Kulturpessimismus sein, wenn auch nicht ohne einen Hauch existenzialistischer Verzweiflung. Das alles sympathischerweise konsequent aus Künstler- und Nischen-Perspektive, also letztlich musikfreundlich. Neue Schwerpunkte in diesem Jahr zudem: audiovisuelle Medien und Computerspiele mit Bezug zur Popkultur.
Auch im Musikprogramm wurde das Spektrum dieses Jahr erweitert. Da Köln in Sachen Pop-Underground mindestens seit der zweiten Hälfte der 90er international für elektronische Musik bekannt ist, stand die c/o pop schnell im Ruf, ein Elektronikfestival zu sein. Um aber nicht zu einem Denkmal für ebendieses goldene Zeitalter von Electric Cologne zu erstarren, hat man dieses Jahr offensiv gegengesteuert: mit den britischen New-Wave-Legenden Television Personalities, dem Avant-Jazz-Gitarristen und Ornette-Coleman-Kollaborateur James Blood Ulmer und dem Singer/Songwriter José Gonzáles waren auch andere Genres gut abgedeckt. Schließlich sind es letztlich doch die musikalischen Momente, die im Gedächtnis bleiben, "affair" (Messestände) und "conference" (Panels) hin oder her. Grandios war der Auftritt der New Yorker Disco-Big-Band Hercules & Love Affair, die am Donnerstag im Gloria recht eindrucksvoll demonstrierten, was die ursprüngliche, emanzipatorische Utopie von Disco war: Momente zu schaffen, in denen Hautfarbe, Geschlechtlichkeit und gesellschaftlicher Status keine Rolle spielen.
Oder das Eröffnungskonzert der deutsch-amerikanischen Freundschaft zu deren 30. Bühnenjubiläum am Abend zuvor, featuring das typische Premierenpublikum, aber auch Quotenvertreter der verschiedenen DAF-Fan-Fraktionen von damals. Anders gesagt: Wann sonst hat man schon die Gelegenheit, EBM-Skins, Dark-Waver, Punks und Wolfgang Voigt - Chef des superrenommierten Techno-Labels Kompakt, hier aber nur begeisterter Fan - leutselig im selben Moshpit rempeln zu sehen?
Wenn die nachmittäglichen Messestände der vielen Elektronik-Labels, die einzelnen Räume des wunderbar pittoresken Rheintriadem, das dieses Jahr leider zum letzten Mal als Festivalzentrale genutzt werden kann, im Vergleich schwach besucht schienen, lag das daran, dass die c/o pop sich dieses Jahr zum ersten Mal ein anderes, wesentlich verführerischeres atmosphärisches "Herzstück" geschaffen hat.
Jeden Nachmittag gab es im Parkcafé am Wasserspielplatz unter dem ebenso blumigen Namen "Playground Love" Experimentelles und Techhouse auf der Wiese - für druffe 3-Tage-Wach-Feierfressen ebenso nett wie für erwachsen gewordene Raver mit Familienanschluss. Fazit: weitermachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!