1 Jahr Havarie der Costa Concordia: Betört vom „Duft der Zitrusfrüchte“

Vor einem Jahr havarierte das Passagierschiff Costa Concordia. 32 Menschen starben. Das Geschäft der Costa-Linie blüht weiter.

Die havarierte Costa Concordia von der Insel Giglio aus gesehen. Bild: dpa

ROM taz | Sie werden wieder an Bord gehen am Freitag, im Hafen Civitavecchia, 100 Kilometer nördlich von Rom: Hunderte Kreuzfahrtpassagiere, die bei der Linie Costa Crociere die Tour durchs westliche Mittelmeer gebucht haben.

Eigentlich ist alles ganz genau wie vor exakt einem Jahr, die Route über Marseille nach Barcelona und Mallorca, ja selbst der Name der Tour: Auch am Freitag, dem 13. Januar 2012, hatten die Kunden aus Deutschland, Frankreich, Italien oder den USA auf der „Costa Concordia“ die Reise mit dem romantischen Namen „Profumo di Agrumi“ – „Duft der Zitrusfrüchte“ – angetreten.

Ein Detail allerdings wird anders sein. Etwa zwei Stunden nach dem Ablegen wird das Costa-Schiff die Isola del Giglio in weitem Bogen umfahren, mit mindestens zwei Meilen Abstand. Vor einem Jahr dagegen betrug die Distanz zur Küste nicht einmal 100 Meter. Schließlich wollte Capitan Francesco Schettino den Passagieren ebenso wie den Inselbewohnern das prächtige Schauspiel des „Inchino“, der „Verneigung“ seines 290 Meter langen und fast 40 Meter hohen, von Bug bis Heck hell beleuchteten Riesen bieten.

Eine Verneigung, die in der Katastrophe endete. Als die Crew auf die Brücke die Schaumkrönchen sah, die den aus dem Wasser ragenden Felsen umspülten, war es für das Ausweichmanöver zu spät. Um 21.42 Uhr erschütterte ein heftiger Schlag das Schiff: Auf 70 Meter Länge hatte der Fels die Costa Concordia aufgerissen, Wasser strömte in die Maschinenräume, alle Lichter verloschen, der Kreuzfahrtriese war nicht mehr zu manövrieren. Und an Bord, unter den 3.219 Passagieren, den 1.013 Besatzungsmitgliedern, brach Chaos aus.

„Ins Rettungsboot hineingefallen“

Derweil mutierte der eben noch so draufgängerische Kapitän Francesco Schettino von einer Sekunde auf die nächste zum Hasenfuß. „Bloß ein Stromausfall“, so versuchte er in Telefonaten mit dem Costa-Krisenstab das Unglück kleinzureden. Den Gästen wurde in Durchsagen geraten, Ruhe zu bewahren, ja sich zurück in die Kabinen zu begeben. Erst nach über einer Stunde – die Concordia war mittlerweile im Halbkreis zurück direkt vor den kleinen Hafen von Giglio getrieben und begann sich gefährlich zu neigen – ordnete Schettino endlich die Evakuierung an. Sie wurde zum hässlichen, verzweifelten Kampf um einen der Plätze in den Booten.

Einer hatte diesen Kampf da schon gewonnen: der Kapitän. Er machte sich auf einem Boot davon und verfolgte den weiteren Verlauf der Tragödie dann vom Ufer aus, im Dunkeln auf einem Stein hockend. Gerne wäre er an Bord geblieben, erklärte er später, aber leider sei er „ins Rettungsboot hineingefallen“. Weniger Glück hatten die 32 Menschen, die ertranken, beim Versuch, schwimmend das rettende Land zu erreichen, oder gefangen im Inneren des Schiffes, zwölf Deutsche, sieben Italiener, sechs Franzosen unter ihnen. Zwei der Leichen befinden sich immer noch im Wrack.

Noch Monate, womöglich gar ein Jahr wird es wohl dauern, dieses größte je gekenterte Passagierschiff zu bergen. Komplett soll die auf der Seite liegende „Costa Concordia“ aufgerichtet und dann zum Abwracken in einen Hafen geschleppt werden. Es wird kaum bei den veranschlagten 230 Millionen Euro Kosten für die Aktion bleiben: Der ursprünglich verkündete Zeitplan der Bergung bis zum Frühjahr 2013 ist Makulatur, frühestens im September werden die 400 an der Unglücksstelle tätigen Arbeiter so weit sein, und die Isola del Giglio stellt sich auf eine weitere Sommersaison ein, in der der riesige zur Seite gekippte Schiffsleib das Panorama des Hafens beherrschen wird.

Mindestabstand von zwei Meilen zur Küste

Schon für letzten Sommer beklagte die Insel einen Rückgang der Übernachtungen um etwa 20 Prozent – zugleich aber schnellte die Zahl der als Tagesgäste anreisenden Katastrophentouristen auf 3.000 pro Tag hoch. Keinen nennenswerten Rückgang bei den Passagieren hat dagegen die zum US-Kreuzfahrtkonzern Carnival gehörende Costa Crociere zu verzeichnen.

Gewiss, der Schaden war enorm, doch der Totalausfall des Schiffes – Herstellungskosten 450 Millionen Euro – wird von den Versicherungen getragen. Vom Tisch ist die in den Wochen nach der Katastrophe geführte Debatte, ob Costa wohl unter komplett neuem Namen und Logo fahren solle. Unerschrocken strömen die Passagiere weiter an Bord: Die Buchungszahlen blieben 2012 stabil, auch weil Costa mit kräftigen Rabatten nachhalf. Wer zum Beispiel nächsten Freitag von Civitavecchia aus in See sticht, zahlt für die Acht-Tages-Tour in der einfachsten Kabine lächerliche 325 Euro inklusive Hafengebühren, und selbst eine veritable Suite ist schon für 1.100 Euro pro Person zu haben; Kinder und Jugendliche bis 18 dürfen obendrein gratis mit.

Schnell verstummte auch die Debatte über die Sicherheit der Kreuzfahrtschiffe. Schon liegt der nächste Costa-Riese auf Dock; er soll sogar knapp 5.000 Passagiere befördern, ein schwimmendes Hochhaus wie die „Costa Concordia“ mit gerade einmal acht Meter Tiefgang.

Bloß mit den Fahrten haarscharf an der Küste vorbei ist seit der Katastrophe vom letzten Jahr erst einmal Schluss. Italiens Regierung erließ ein Dekret, das in Naturschutzgebieten wie der Zone rund um die Isola del Giglio einen Mindestabstand von zwei Meilen zur Küste vorschreibt. Selbst diese neue Norm wird jedoch eher halbherzig umgesetzt: Da zum Beispiel in Venedig der Bau eines neuen Kais für die Kreuzfahrtschiffe außerhalb der Lagune erst im Planungsstadium ist, werden die Kolosse dort auch weiterhin direkt am Markusplatz vorbeischippern, Sicherheit hin oder her.

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