Regierung in Nordirland: You are fired!

Der Chef der DUP muss nach fünf Wochen wieder gehen, die Partei ist zerstritten. Ob der neue Premier sein Amt behalten darf, ist noch unklar.

Mann vor Gebäude

Wie lange ist er noch im Amt? Nordirlands neuer Premier Paul Givan Foto: ap

DUBLIN taz | Es war die kürzeste Amtszeit in der Geschichte der Democratic Unionist Party (DUP), Nordirlands stärkster Partei. Vor fünf Wochen hatten die Abgeordneten Edwin Poots zum neuen Parteichef gewählt, nachdem man seine Vorgängerin Arlene Foster, die auch nordirische Premierministerin war, davongejagt hatte. Am Donnerstagabend warf die Partei ihn wieder hinaus.

Poots hatte am Nachmittag seinen Freund Paul Givan zum neuen Regierungschef ernannt, weil er das Amt nicht selbst übernehmen wollte. Sieben der acht DUP-Unterhausabgeordneten sowie eine Reihe hochrangiger Mitglieder witterten jedoch Verrat. Sie verlangten am Donnerstagmorgen ein dringendes Treffen mit Poots, auf dem er erklären sollte, ob er irgendwelche Zugeständnisse an Sinn Féin, den ehemaligen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), gemacht habe. Darüber hinaus stimmte eine deutliche parteiinterne Mehrheit gegen die Nominierung von Givan. Poots, ein Kreationist, der glaubt, Gott habe die Erde vor 6.000 Jahren erschaffen, ignorierte das.

Das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das der Krisenprovinz relativen Frieden beschert hat, schreibt eine Mehrparteienregierung vor, um die Vorherrschaft einer Partei zu verhindern. Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn sowohl die protestantisch-unionistischen als auch die katholisch-nationalistischen Parteien mehrheitlich zustimmen. Die beiden stärksten Parteien auf beiden Seiten stellen den Regierungschef und die gleichberechtigte Stellvertreterin – in diesem Fall Michelle O’Neill von Sinn Féin.

Im Januar 2017 war die Regionalregierung wegen Differenzen zwischen der DUP und Sinn Féin gestürzt. Auch diesmal stand die Einigung auf Messers Schneide. Damals wie heute war die Förderung der irischen Sprache der Streitpunkt.

Ständig torpediert

Die DUP hatte ein entsprechendes Gesetz immer wieder torpediert. Nach einer Marathonsitzung in der Nacht zum Donnerstag einigte man sich auf einen Kompromiss: Sollte das Gesetz nicht bis Ende September in Kraft sein, wird die Londoner Regierung es im Oktober im Unterhaus verabschieden.

Für eine Mehrheit in der DUP war das eine Konzession zu viel an Sinn Féin. Doch ohne diese Einigung wären Neuwahlen fällig gewesen, bei denen die DUP Stimmen verloren hätte und Sinn Féin wohl zur stärksten Partei geworden wäre. Ob Givan eine Eintagsfliege wird oder trotz Poots' Hinauswurf Premierminister bleiben darf, entscheidet sich in Kürze.

Der 39-Jährige war schon während seiner Studienzeit vor 20 Jahren Assistent von Poots. Er stammt aus der unionistischen Hochburg Lisburn südlich von Belfast, er hat Wirtschaftswissenschaften an der Ulster University studiert. Im Alter von 23 Jahren wurde er in den Stadtrat von Lisburn gewählt, 2010 zog er ins nordirische Regionalparlament ein. 2016 wurde er bis zum Sturz der Regierung 2017 Minister für Kommunikation.

Die DUP muss sich nun um einen neuen Parteichef kümmern. Favorit ist Jeffrey Donaldson, der Poots vor fünf Wochen nur ganz knapp unterlegen war. Nach dessen Rücktritt sagte er am Donnerstagabend: „Was für ein wunderschöner Tag.“

Mit dem Rücken zur Wand

Der neue Parteichef ist nicht zu beneiden. Die Partei ist tief zerstritten, sie steht mit dem Rücken zur Wand. Arlene Foster musste gehen, weil sie das Nordirlandprotokoll des Brexit-Vertrags nicht verhindert hatte. Es regelt, dass Nordirland weiterhin Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und sich deshalb an die Zollregeln der EU halten muss. Dadurch soll eine harte Grenze in Irland vermieden werden, aber dafür wurde eine Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien errichtet.

Die DUP, die als einzige nordirische Partei für den Brexit geworben hatte, läuft deshalb Sturm. Der britische Premierminister Boris Johnson versuchte auf dem G7-Gipfel in Cornwall voriges Wochenende erneut, das Protokoll auszuhebeln. Er wollte die Übergangsfrist für den kontrollfreien Import britischer Wurst- und Hackfleischwaren nach Nordirland, die zum Monatsende ausläuft, einseitig verlängern, wurde jedoch von US-Präsident Joe Biden und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorerst ausgebremst. Das Thema ist aber noch lange nicht vom Tisch. Am 1. Juli wird sich zeigen, ob Johnson gewillt ist, sich an den von ihm unterzeichneten internationalen Brexit-Vertrag zu halten.

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