Coronatest-Skandal mit Jens Spahn: Rausreden für Dummies

Beim Coronatest-System zu betrügen, ist erschreckend einfach – und Spahn in der Bredouille. Gut, dass er sich rauszureden weiß – und wir jetzt auch.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei Anne Will in der ARD

Meister der Ausreden: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Foto: Jürgen Heinrich via www.imago-images.de

Blumenstrauß vergessen? Klassenarbeit vermasselt? Vorfahrt genommen? Nicht immer können wir Fehler vermeiden. Entscheidend, wenn es Ihnen mal wieder passiert ist: eine Kommunikationsstrategie, die Ihre Verantwortung effektiv verschleiert. Ein Vorbild können sich Laien bei Gesundheitsminister Jens Spahn nehmen, der sich im Laufe der Coronapandemie eine fundierte Fehlerkompetenz angeeignet hat.

Nachdem ARD-Recherchen aufgezeigt haben, wie leicht Be­trü­ge­r*in­nen das von ihm verantwortete Coronatest-System ausnutzen können, ging der CDU-Politiker medial in die Offensive. Bei Anne Will machte er am Sonntagabend vor, wie auch Sie sich in fünf einfachen Schritten aus selbst verschuldeten Pannen rausreden können.

1. Think positive

Jemand hält Ihnen Ihre Fehler vor? Halten Sie ihm entgegen, was Sie alles richtig gemacht haben. „Wir haben jetzt über 15.000 Teststellen in Deutschland, wo es im Alltag für ganz viele dazugehört, sich regelmäßig testen zu lassen. Das ist ja erst mal was, was pragmatisch gut erreicht worden ist“, sagt Spahn bei Anne Will. Hilft auch, wenn Sie mal wieder Ihren Hochzeitstag vergessen: „Zunächst einmal sollten wir das Erreichte würdigen: Wer hätte gedacht, dass wir mal zwanzig Jahre lang verheiratet sein werden?“

2. Fehler wegdefinieren

Noch besser: Immunisieren Sie sich von vornherein gegen Kritik. „Es geht nicht um Fehler. Ich habe mir eines angewöhnt in dieser Pandemie: Egal, was ich entscheide oder nicht entscheide: Es wird immer von einigen als Fehler genommen“, sagt Spahn. Praktisch: Wenn schon der Vorwurf eines Fehlers belegt, dass es gar keine Fehler gibt, können Sie selbst keine Fehler gemacht haben. Analog dazu meist hilfreich: „Dir kann ich es eh nie recht machen.“

3. Kleinmachen

Warum die Testverordnung keine Maßnahmen vorsieht, die Betrug erschweren? Weil Be­trü­ge­r*in­nen immer betrügen. „Wo kriminelle Energie ist, wo jemand betrügen will, wird jemand betrügen.“ Mit vermeintlicher Machtlosigkeit können Sie jeden Vorwurf parieren. Was Sie nicht verhindern können, kann Ihnen niemand vorwerfen. Funktioniert im Zweifel auch bei Problemen im Straßenverkehr. Warum sind Sie ohne Licht gefahren? „Mal ehrlich, Frau Wachtmeister: Unfälle passieren. Das wird man nie ganz verhindern können.“

4. Nicht zu genau nehmen

Die Betrugsanfälligkeit des Testsystems ist aufgefallen, weil Jour­na­lis­t*in­nen recherchiert haben. Sie haben die Kontrollen durchgeführt, auf die der Staat verzichtet. Als Verantwortlicher sollten Sie das nicht offen kommunizieren.

Nutzen Sie lieber Satzkonstruktionen, die entscheidende Akteure unterschlagen. „Das Gute ist ja: Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es ist aufgefallen, schon nach wenigen Wochen“, sagt Spahn. Können Schü­le­r*in­nen auch nach einer Fünf im Diktat probieren: „Das Tolle ist: Kein Fehler wurde übersehen!“

5. Strohmänner aufbauen

Hilft in jeder Diskussion und eignet sich zur Schuldabwehr: Widerlegen Sie Argumente, die Ihr Gegenüber gar nicht vorgetragen hat. Widersprechen Sie einem Generalverdacht, den niemand erhoben hat. „Wir müssen jetzt ein bisschen aufpassen, dass wir aus den bekanntgewordenen Einzelfällen nicht alle, die Testangebote machen, über einen Kamm scheren“, sagt Spahn.

Wirkt solidarisch und dadurch sympathisch; könnten Regierungsparteien auch noch im Wahlkampf gebrauchen: „Wir sollten trotz allem nicht so tun, als ob das gesamte Kabinett in der Pandemie eine schlechte Figur gemacht hätte.“

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