Walpurgisnacht und Tag der Arbeit: Same procedure as every year?

Anders als im letzten Jahr finden in der Walpurgisnacht und am Tag der Arbeit wieder etliche Demos statt. Doch anders als früher. Ein Überblick.

1. Mai 2020: Demonstranten der MyGruni-Kundgebung halten ein Plakat mit der Aufschrift «Grunewald, deine leeren Zimmer sind social distancing - schon immer» im Grunewald hoch

Demonstranten der MyGruni-Kundgebung am 1. Mai letztens Jahres Foto: dpa/Michael Kappeler

BERLIN taz | Auf den ersten Blick stehen Berlin in der Walpurgisnacht und am 1. Mai wieder die gewohnten Proteste bevor. Anders als im vergangenen ersten Jahr der Pandemie, ist fast alles wie immer: Hände weg vom Wedding veranstaltet seine antikapitalistische Vorabenddemonstration durch den Kiez, das hedonistische Quartiersmanagement Grunewald zieht ins Villenviertel und auch der Revolutionäre 1. Mai ist mit einer eigenständigen Demonstration zurück.

Same procedure as every year also? Ganz so eindeutig ist das nicht. Zwar lässt sich die linke und linksradikale Szene ihre Proteste nicht mehr nehmen, aber im Detail ist dennoch vieles anders. Besonders schwierig sind daher auch Vorhersagen, wie viele Menschen sich beteiligen werden und ob der Tag konfliktfrei verlaufen oder sich doch der Zorn etwa über geräumte alternative Projekte oder den weggeklagten Mietendeckel Bahn brechen wird?

Zunächst ein Blick auf die Unterschiede zum Normalzustand: Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB verzichtet – wie bereits im vergangenen Jahr – auf seine traditionelle Demonstration. Überwiegend online soll der Tag ablaufen, per Livestream mit Reden und Kulturprogramm. Die Linksradikalen, die sich sonst mit einem „klassenkämpferischen Block“ an der DGB-Demo beteiligten, haben daher eine eigene Demo organisiert. Organisationen wie die anarchistische Gewerkschaft FAU widmen sich dabei klassischerweise der Arbeit und den Arbeiter*innen, besonders jenen, die die Lasten der Pandemie zu tragen haben – „während die Reichen ihr Vermögen noch vergrößern“, wie es im Aufruf heißt.

Auf drei Wegen in den Grunewald

Letzteres ist auch das Thema der zeitlich parallelen Konkurrenzveranstaltung im Grunewald, die dieses Jahr auf die ganze Stadt ausgeweitet wird. Denn das selbst ernannte Quartiersmanagement für den Problembezirk setzt in diesem Jahr auf den Pandemie-Trend Fahrrad-Demo. Aus Wedding („Rotfront-Bikers“), Neukölln (Umverteilungs-Ultras“) und Lichtenberg („Goldener Mittelfinger“) will man auf drei Wegen durch die Stadt – gemeinsamer Treffpunkt ist der Große Stern – bis in den Grunewald und danach zurück über die A 100 nach Neukölln radeln. Hört sich nicht nur nach Sport an – ist es auch.

Das ist eine Illustration, die alle Demos mit den entsprechenden Treffpunkten und Routen zeigt, die zum Tag der Arbeit stattfinden

Dass die Forderung nach Umverteilung des Reichtums für viele ein Thema ist, hat erst ein am Mittwoch veröffentlichter und breit wahrgenommener offener Brief des Bündnisses Wer hat der gibt gezeigt, das sich ebenfalls an der Fahrradtour beteiligt. Ob sich aber wie in den Jahren 2018 und 2019 Tausende der sicherlich buntesten und fröhlichsten Veranstaltung des Tages anschließen werden, bleibt abzuwarten. Am Wetter muss es jedenfalls nicht scheitern. Zwar wird es kälter als üblich, überwiegend trocken wird es aber voraussichtlich bleiben.

Die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration am Abend soll weniger krawallig daherkommen als gewohnt. Ein neues Bündnis aus migrantischen ­Gruppen, federführend der Migrantifa, will der am Hermannplatz startenden Demo einen neuen Ausdruck verpassen und anschlussfähig für die nicht revolutionäre, oft migrantische Nachbarschaft sein. Unabhängig, ob das gelingt, wird die Demo ein Szene-Treffpunkt bleiben. Angekündigt haben sich etwa Be­woh­ne­r*in­nen und Un­ter­­stüt­ze­r*in­nen der Köpi und ihres bedrohten Wagenplatzes oder das Interkiezionale-Bündnis der vielfach schon geräumten alternativen Projekte, deren Veranstaltungen zuletzt noch am ehesten als militant zu bezeichnen ­waren.

Ein „besonderer 1. Mai“

Die Polizei hält sich mit Prognosen zum Geschehen zurück, Pressesprecher Thilo Cablitz spricht auf taz-Anfrage von einem „besonderen 1. Mai“ und meint vor allem die Pandemiesituation, die anders als vor einem Jahr das Versammlungsrecht nicht einschränkt. Zu den Herausforderungen für den Großeinsatz werden aber nicht nur die Demos, sondern auch die „feiernden Menschen, die sich in den Parks mit einem Bierchen niederlassen“.

Auf die Frage nach womöglich schwierigen Situationen verweist Cablitz auf einen „Aufzug gegen die Infektionsschutzmaßnahmen“.Im Lichtenberger Nibelungenkiez will eine Gruppe aus dem Querdenken-Umfeld demonstrieren. Daneben steht auch die Revolutionäre 1.-Mai-Demo im polizeilichen Fokus“, bei der es in der Vergangenheit „regelmäßig zu Angriffen auf Einsatzkräfte kam“, wie Cablitz sagt, wenn auch mit „abnehmender Entwicklung“.

Bislang sind keine Demonstrationen für die Zeit nach 22 Uhr, also dem Beginn der Ausgangssperre, angemeldet. Dies aber ist grundsätzlich möglich, wie Cablitz bestätigt, diese Ausnahme sehe das Infektionsschutzgesetz vor. Eine Bedingung, auch für etwaige Spontanversammlungen ist aber ein „tragfähiges Hygienekonzept“, das durch den Veranstalter auch durchgesetzt werden kann. Anderseits werde die Polizei gucken, „dass sich die Menschen nach 22 Uhr entfernen“, so Cablitz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.