Bürgerkrieg in Mosambik: „Sie haben Palma getötet“

Mosambiks Armee erobert die Stadt Palma von islamistischen Rebellen zurück. Zehntausende Menschen leben dort nun ohne Schutz.

Bild von gestrandeten Flüchtlingen in Pemba

Sicherer Hafen? Flüchtlinge aus Palma, gelandet in Pemba, das sich 200 Kilometer südlich befindet Foto: reuters

BERLIN taz | Ausgebrannte, leergeplünderte Gebäude. Eine Leiche auf der Straße, die hastig mit einer Plane bedeckt wird, als die Kamera sich nähert. Die Bilder von Mosambiks Staatsfernsehen am Montag aus der Stadt Palma nach der Rückeroberung durch die Armee lassen nur erahnen, was sich in den zehn Tagen seit dem Einmarsch der islamistischen Rebellen am 24. März abspielte.

Von vielen der über 110.000 Menschen, die nach UN-Angaben vorher in Palma lebten – bis zu 75.000 Einwohner, rund 40.000 Binnenflüchtlinge –, fehlt jede Spur. Bis zum 1. April waren nach einer Übersicht der humanitären UN-Koordinationsstelle OCHA 9.158 Menschen aus Palma, die Hälfte davon Kinder, in benachbarten Distrikten von Nothilfeorganisationen registriert, meist sehr geschwächt.

„Die Vertriebenen sind aufgeregt und überwältigt von dem, was sie gesehen haben“, berichtet Ärzte ohne Grenzen aus Montepuez rund 250 Kilometer von Palma entfernt. „Sie weinen, wenn sie erzählen. Eine Person sagte: ‚Sie haben viele Leute getötet, sie haben Palma getötet.‘ Die Leute rannten in den Busch, um ihr Leben zu retten, und liefen Tag und Nacht vier oder fünf Tage lang.“

Die Aufnahme- und Hilfskapazität der Dörfer der nördlichsten mosambikanischen Provinz, Cabo Delgado, ist begrenzt, da schon vor den neuesten Kämpfen 670.000 Menschen auf der Flucht waren. „Es gibt unverifizierte Berichte von Tausenden, die im Busch um Palma herum versteckt sind, ohne Nahrung und Wasser“, so OCHA. Mosambiks Behörden sagen, die Rückeroberung Palmas solle die Rückkehr der Geflohenen ermöglichen.

Mehrere tausend Menschen sind von Palma aus in die andere Richtung unterwegs, nach Norden in Richtung des Nachbarlandes Tansania. Der Ruvuma-Grenzfluss ist allerdings nach der kürzlich beendeten Regenzeit nicht ohne weiteres passierbar. An der von chinesischen Firmen gebauten „Einheitsbrücke“ über den Fluss am Ort Negomane, etwa 150 Kilometer westlich von Palma, wurden einige hundert von den tansanischen Behörden versorgt, bevor sie in ein UN-Lager auf der mosambikanischen Seite der Grenze kamen, berichtet die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa.

Fast alle Gebäude angezündet

Rund 22.000 weitere Menschen aus Palma sollen sich außerhalb des festungsmäßig gesicherten Geländes des französischen Ölmultis Total auf der Afungi-Halbinsel südlich von Palma befinden, wo ein Flüssiggasterminal für die Nutzung der gigantischen mosambikanischen Erdgasreserven im Indischen Ozean entstehen soll. Die Siedlung Quitunda vor den Toren des Geländes ist zu einem Flüchtlingslager angewachsen, dessen Bewohner „dehydriert, hungrig und unter Schock“ seien, so OCHA.

Auf dem Total-Gelände selbst hatten sich bereits Tausende Flüchtlinge aus Palma eingefunden, nachdem die mosambikanischen Shabaab-Islamisten, die sich selbst als Teil des „Islamischen Staates“ (IS) bezeichnen, die Stadt eingenommen hatten. Viele wurden per Boot in die Hafenstadt Pemba 200 Kilometer südlich evakuiert; die eigentlich nähere Hafenstadt Mocimboa befindet sich bereits seit August 2020 in islamistischer Hand.

Noch immer kommen täglich Boote mit Evakuierten in Pemba an, das bereits mit Kriegsflüchtlingen voll ist. An den Evakuierungsaktionen beteiligten sich Spezialkräfte aus Südafrika und Portugal. Die Berichte der Evakuierten und ihrer Retter lassen erahnen, wie die Shabaab-Eroberung Palmas verlief. Erst besetzten die Islamisten Dörfer im Umland und schlugen die Bewohner in die Flucht. Dann mischten sie sich unter die Fliehenden und gelangten so nach Palma.

Dort rückte dann Verstärkung an, teils mit schweren Waffen ausgerüstet. Sie überrannten Palma, zündeten fast alle Gebäude an, plünderten Banken und Lebensmittellager und gingen gezielt auf Jagd nach Mitarbeitern staatlicher Behörden, die sie auf offener Straße hinrichteten, teils durch Schüsse, teils per Enthauptung.

Schwächen der Regierungsseite erleichterten den Angriff, analysiert der südafrikanische Daily Maverick. Eigentlich hilft die private südafrikanische Sicherheitsfirma Dyck Advisory Group (DAG), geleitet von einem weißen Simbabwer und ansonsten als Ranger in Nationalparks tätig, Mosambiks Armee, aber ihr Vertrag läuft am 6. April aus und sie waren schon im Rückzug. Total arbeitete nicht mit DAG zusammen und ließ sich von mosambikanischen Spezialkräften schützen, die sich wiederum nicht für die Stadt Palma zuständig fühlten.

Besser schien die Koordination der Islamisten zu sein. „An der Offensive nahmen ausländische Kämpfer teil, zumeist Tansanier, aber möglicherweise auch eine Handvoll Südafrikaner“, schreibt der britische Analyst Alex Vines. „Seit 2017 regionalisiert sich der Konflikt. Es nehmen Tansanier teil, es gibt Training im Ostkongo und informelle Verbindungen nach Uganda und Somalia.“

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