Begriff „Rasse“ im Grundgesetz muss weg: Rassismus verbieten, aber wie?

Der falsche Begriff „Rasse“ soll aus dem Grundgesetz verschwinden. Die Suche nach einer sinnvollen Alternative dauert jedoch an.

Justizministerin Christiane Lambrecht sitzt auf ihrem Platz im Bundestag

Sie soll die richtigen Worte finden: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht Foto: Kay Nietfeld/dpa

FREIBURG taz | Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will Diskriminierungen „aus rassistischen Gründen“ im Grundgesetz verbieten. Zugleich soll in Artikel 3 der anrüchige Begriff „Rasse“ gestrichen werden. Kritiker befürchten jedoch, dass die geplante Änderung das Schutzniveau senken könnte.

Derzeit heißt es in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Doch seit über zehn Jahren wird in Deutschland diskutiert, den Begriff „Rasse“ hier zu streichen. Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es schließlich keine menschlichen „Rassen“. Die Diskussion gewann aber erst ab Februar 2020 nach den rassistischen Morden von Hanau eine gewisse Dynamik.

Inzwischen gibt es Gesetzentwürfe von Grünen und Linken. Sie wollen in Artikel 3 statt von „Rasse“ von „rassistischer“ Benachteiligung sprechen. Das Gleiche schlägt ein gemeinsamer Bundesratsentwurf von Hamburg und Thüringen vor. In der Bundesregierung einigten sich Justizministerin Lambrecht und Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Oktober, dass der Begriff im Grundgesetz ersetzt werden soll. Offen blieb, welche neue Formulierung die Bundesregierung vorschlägt.

Zentralrat der Juden warnt vor Verschlechterung durch eine neue Formulierung

Vorige Woche hat Lambrecht nun einen „Diskussionsentwurf“ zur Streichung des Begriffs aus Artikel 3 vorgelegt. Damit werde klargestellt, dass dem Grundgesetz keine auch nur indirekte Bestätigung eines Konzepts von menschlichen „Rassen“ entnommen werden könne. Stattdessen soll künftig die Diskriminierung „aus rassistischen Gründen“ verboten sein, so das Ministerium, wie es bereits in den Landesverfassungen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt formuliert wird.

Lambrecht gab zahlreichen Verbänden und Institutionen Gelegenheit zur Stellungnahme – und setzt eine Frist von nur drei Tagen. Eine Stichprobe der taz bei wichtigen Akteuren ergab, dass zumindest der Zentralrat der Muslime und der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) den Vorschlag der Ministerin unterstützen.

Andere befürchten dagegen, dass Lambrechts Vorschlag das Schutzniveau sogar absenke, so der Zentralrat der Sinti und Roma, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und das Deutsche Institut für Menschenrechte. Lambrechts Formulierung „aus rassistischen Gründen“ klinge so, als ob eine rassistische Intention erforderlich sei. Unbewusste Benachteiligungen seien dann – anders als bisher – vielleicht nicht mehr erfasst.

Auch mittelbare Diskriminierung durch scheinbar neutrale Anforderungen (etwa an die Muttersprache) wären möglicherweise nicht mehr verboten. Das Justizministerium weist die Kritik zurück. Es gehe um rassistische „Gründe“, nicht um rassistische „Beweggründe“.

Dennoch plädieren das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma für eine andere Formulierung. Sie wollen lieber von „rassistischen“ Benachteiligungen sprechen, so wie es auch Grüne und Linke vorschlagen. Die Antidiskriminierungsstelle will zudem die Formulierung „rassistische Zuschreibung“ in Betracht ziehen.

Ein Schritt in die falsche Richtung?

Für den Zentralrat der Juden hatte dessen Präsident Josef Schuster im letzten Juni die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ noch begrüßt. Zu Denken gab ihm dann aber die Warnung von Stephan Harbarth, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Grundgesetzänderung die rechtliche Lage „durchaus zum Schlechteren verkehren“ könne.

Deshalb plädiert der Zentralrat der Juden nun vor allem für Vorsicht und gegen übereilte Beschlüsse. Es bedürfe „weiterer fundierter juristischer Gutachten“, um die Folgen einer Änderung abschätzen zu können, heißt es in der Stellungnahme des Zentralrats.

Auch das Bundesinnenministerium (BMI) hatte sich vorige Woche über das Vorpreschen von Lambrecht geärgert. Der Vorschlag sei dem BMI nicht bekannt gewesen. Die Gespräche innerhalb der Bundesregierung dauerten noch an.

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