Corona-Impfstoffe in Deutschland: Ärger über Impfverzögerung

Weil Biontech die Impfstofflieferung in den nächsten Wochen reduziert, müssen Bundesländer ihre Pläne anpassen. Die Kanzlerin hat Verständnis.

Eine Person mit Gummihandschuh hält ein Fläschchen Impf-Serum

Die Kanzlerin hat Verständnis, dass die Impfstofflieferungen in den nächsten Wochen reduziert werden Foto: Robert Michael/dpa

Aufgrund von Lieferverzögerungen des Biontech-Impfstoffs müssen mehrere Bundesländer ihre Impfpläne überarbeiten. Nordrhein-Westfalen etwa hatte am Mittwoch einen kompletten Impfstopp für die Krankenhäuser verhängt; in Pflegeheimen werden vorübergehend nur Zweitimpfungen für jene Menschen stattfinden, die drei Wochen zuvor bereits die erste Dosis erhalten haben. In Niedersachsen, wo bisher nur in Pflegeheimen geimpft wird, wird sich die eigentlich für den 1. Februar geplante Öffnung der Impf­zentren vielerorts verzögern.

Wegen Umbauarbeiten im Pfizer-Werk in Belgien ­liefert das Unternehmen in den ­nächsten Wochen deutlich weniger Impfstoff aus als vereinbart. Eine Aufstellung aus dem Bundesgesundheitsministerium, die der taz vorliegt, zeigt, dass die Zahl der gelieferten Ampullen in dieser Woche um 39 Prozent niedriger ausfällt, in der nächsten um 15 Prozent und in den beiden folgenden Wochen jeweils um 7 Prozent. Ab 22. Februar soll dafür dann 13 Prozent mehr geliefert werden.

Gelindert wird das Problem dadurch, dass aus jeder gelieferten Ampulle (im Fachjargon Vial genannt) seit dieser Woche offiziell sechs Spritzen aufgezogen werden dürfen statt bisher fünf. Die Zahl der Impfdosen ist darum um 20 Prozent höher als ursprünglich geplant, sodass die verringerte Liefermenge in den nächsten Wochen faktisch nicht zu weniger Impfdosen führt als geplant – die Effekte gleichen sich in etwa aus. Weil die Umstellung auf sechs Dosen pro Ampulle aber schon länger angekündigt war, dürften viele Länder ihre Impfpläne bereits darauf eingestellt haben, sodass sie jetzt doch zu wenig Impfstoff haben.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz übte scharfe Kritik an den Verzögerungen. Für die Patienten, die dringend auf die Impfung warteten, sei der vorläufige Impfstopp in Nordrhein-Westfalen ein fatales Signal, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist absolut grauenhaft.“ Die Verträge der Politik mit der Pharmaindustrie seien offenbar zu lax gewesen, sagte Brysch. „Wenn man Forschungsgelder in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro vergibt, da wäre die Chance gewesen, mehr Verbindlichkeit reinzubekommen.“

Nachsicht von der Kanzlerin

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn kritisierte die Verzögerung. „Es ist sehr, sehr unbefriedigend, dass uns das über Nacht mitgeteilt worden ist und das jetzt eben zu dem Ärger führt“, sagte er. Das Unternehmen müsse lernen, „dass man in einer so sensiblen Phase sehr frühzeitig und sehr offen und transparent miteinander kommunizieren muss“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte dagegen Verständnis für das Unternehmen. „Pfizer hat sich nun entschieden, was ja wirklich nicht zu beanstanden ist, seine Produktion hochzufahren, und muss dazu Umbauten vornehmen“, sagte sie in der Bundespressekonferenz. Dadurch gebe es kurzzeitig Verzögerungen, aber insgesamt würden die angekündigten Liefermengen für das erste Quartal eingehalten, so Merkel. Auch dem Pfizer-Partner Biontech sei kein Vorwurf zu machen. Ihr Eindruck sei, die Menschen dort „arbeiten Tag und Nacht“, sagte Merkel. „Was wollen wir denn jetzt noch rummeckern?“

Durchgeführt werden in Deutschland derzeit rund 100.000 Impfungen pro Tag. Die anfangs sehr deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern haben sich inzwischen etwas verringert; allerdings sind in Mecklenburg-Vorpommern mit 30 Impfungen pro 1.000 Ein­woh­ne­r*in­nen immer noch mehr als doppelt so viele Dosen verabreicht worden wie in Baden-Württemberg mit 13.

Große Unterschiede gibt es auch in der Frage, wer derzeit geimpft wird. Zugelassen sind Impfungen in der ersten Phase für Menschen über 80, Be­woh­­ne­r*in­nen von Pflegeheimen und medizinisches Personal mit engem Kontakt zu Covid-Patien­t*innen. Aus den Zahlen des Robert-Koch-Instituts geht hervor, dass bundesweit bisher knapp die Hälfte der Geimpften zum medizinischen Personal gehört. Im Saarland sind es nur 19 Prozent, in Sachsen dagegen 76 Prozent.

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