Die Wahrheit: Der große britische Haggis

Hä, Haggis, was ist das? „A traditional Scottish product, easily transported and having a long shelf life without refrigeration.“ Aha.

Die Schotten waren noch nie gut auf die Engländer zu sprechen. Aber nun ist das Verhältnis völlig zerrüttet. Das liegt nicht nur am Abschied aus der Europäischen Union, zu dem sie von den Engländern gezwungen worden sind. Jetzt klauen die ihnen auch noch das Nationalgericht. Stahly Quality Food hat einen Haggis – ein Gemisch aus Herz, Leber, Lunge, Zwiebeln und Nierenfett vom Schaf, das mit Hafermehl vermischt im Schafsmagen gekocht wird – mit dem Label „Great British Haggis“ versehen und in einen Union Jack eingewickelt.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die kugelförmige Wurst sei schottisch, tobten Schotten auf Twitter. Sei den Engländern nun gar nichts mehr heilig? Man möge mit der lächerlichen Britifizierung aufhören. Ken Stahly antwortete, sein Unternehmen sei seit 1923 ein „stolzer Fleischereibetrieb in Familienbesitz“, und zwar in der schottischen Grafschaft Fife. Ach, und was war vor 1923? Ist der Uropa aus England eingewandert? In Schottland wird Herr Stahly seinen britischen Haggis jedenfalls nicht los.

Nigel Barry, ein Toastmaster aus dem englischen East Sussex, sagte, die Schotten mögen sich wieder einkriegen: „Schottland ist Teil des Vereinigten Königreichs, und das wiederum ist auch als Großbritannien bekannt.“ Deshalb könne man den Haggis selbstverständlich als britisch bezeichnen. Könnte man, wenn einen die Geografiekenntnisse so schmählich im Stich lassen wie den englischen Redekünstler.

Die Schotten vermuten inzwischen, dass die Engländer auch hinter dem Verschwinden von 200 Millionen Litern Wasser stecken. Die sind nämlich dem Loch Vaa bei Aviemore vorübergehend abhanden gekommen. Der Hochlandsee ist 16 Hektar groß und normalerweise so klar wie Gin. Er galt bei Schwimmern und Anglern auf Forellenfang als sehr beliebt. Vom Bootshaus, das nur über einen Steg trockenen Fußes zu erreichen war, konnte man auf den See rudern.

Es regnete 37 Tage

Doch plötzlich lag das Bootshaus an Land, der Wasserpegel war um anderthalb Meter gesunken. Anwohner erzählten, sie haben eine Gruppe englischer Taucher beobachtet, die auf dem Grund des Sees den Stöpsel gezogen haben. Dann kam aber das typisch schottische Wetter zu Hilfe: Es regnete 37 Tage ununterbrochen, und der Pegel stieg wieder an.

Neidisch blickt man auf Loch Ness, denn dieser See enthält nicht nur mehr Wasser als alle Seen in England und Wales zusammen, sondern beherbergt darüber hinaus ein Ungeheuer. Das bringt dank Monstertourismus jedes Jahr 40 Millionen Pfund ein, auch wenn Engländer sich über Nessie lustig machen.

Den Haggis-, Nessie und Loch-Vaa-Freunden kann übrigens geholfen werden: Wenn Schottland dereinst unabhängig wird, wird es nicht mehr zum Vereinigten Königreich gehören. Es läge zwar immer noch in Großbritannien, solange man entlang des Hadrianswalls keine erdplattensprengende Minen zündet, aber das würde dann doch keiner wollen. Oder?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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