Paritätsgesetz in Brandenburg gekippt: Parité ade

In Brandenburg sollten die Wahllisten künftig geschlechtsquotiert sein. Nun hat das Verfassungsgericht das Gesetz gekippt.

Der Plenarsaal des Landtags Brandenburg

Das „Abendland“ nun gerettet? Plenarsaal des Brandenburgischen Landtags, Potsdam im Februar 2020 Foto: Christian Spicker/imago

POTSDAM taz | Das Paritätsgesetz des Landes Brandenburg ist verfassungswidrig. Das Gesetz verlangte, dass auf Wahllisten gleich viele Männer und Frauen kandidieren. Das Brandenburger Verfassungsgericht sah darin nun aber eine Verletzung von Parteirechten und Wahlgrundsätzen. Möglich wäre ein derartiges Gesetz nur nach einer Verfassungsänderung.

Der Brandenburger Landtag hat im Februar 2019 das erste deutsche Paritätsgesetz beschlossen. Danach mussten auf den Wahllisten zur Landtagswahl im Reißverschlussverfahren abwechselnd Männer und Frauen platziert werden. Personen des dritten Geschlechts konnten frei entscheiden, ob sie auf einem Männerplatz oder auf einem Frauenplatz kandidieren wollen.

Gegen das Gesetz klagten die Brandenburger Landesverbände von NPD, AfD und Piraten sowie vier AfD-Mitglieder. Erfolgreich waren die Organklage der NPD und die Verfassungsbeschwerden der AfDler. Dagegen war die AfD-Organklage unzulässig, weil verspätet. Über die Organklage der Piraten wird später noch entschieden.

Nach Auffassung der Brandenburger VerfassungsrichterInnen verstößt das Paritätsgesetz gleich mehrfach gegen die Brandenburger Landesverfassung und ist daher nichtig. Die RichterInnen sahen Rechte der Parteien, aber auch der WählerInnen verletzt.

NPD und AfD-Mitglieder klagen erfolgreich

„Es ist der Wesenskern des Demokratieprinzips, dass die Willensbildung im Staat von unten nach oben verläuft“, sagte Markus Möller, der Präsident des Verfassungsgerichts, bei der Urteilsverkündung in Potsdam. Dem widerspreche es, wenn der Staat den Parteien verbindliche Vorgaben für die Besetzung der Wahllisten mache.

Es sei auch eine Frage der politischen Ausrichtung, ob eine Partei ihre Listen paritätisch mit Männern und Frauen besetzt oder nicht, so Möller. Wenn alle Parteien mit quotierten Wahllisten antreten müssen, verwische das die Unterschiede zwischen den Parteien.

Das Paritätsgesetz benachteilige aber auch Parteien mit geringen Frauenanteilen, so die RichterInnen. Nur 12,3 Prozent der NPD-Mitglieder in Brandenburg sei weiblich. Die NPD müsste also eventuell Kandidatinnen vorschlagen, von denen sie gar nicht überzeugt ist. Oder sie könnte Männer, die sie für geeignet hält, nicht auf die Wahlliste setzen, weil zu wenige Frauen kandidieren wollen.

Nach Ansicht der RichterInnen ist das Paritätsgesetz aber auch ein Eingriff in die Rechte der BürgerInnen, die auf Landeslisten der Parteien kandidieren wollen. Wegen des Reißverschlussprinzips seien Kandidaturen nur auf jedem zweiten Platz der Liste möglich. Dies schränke auch die Möglichkeiten von Frauen ein, so Richter Möller. Männer und Frauen seien zudem gegenüber Personen des dritten Geschlechts benachteiligt, weil diese auf allen Plätzen kandidieren könnten.

Gesetz sei Eingriff in die Rechte der BürgerInnen

Dass es solche Folgen für Parteien und BürgerInnen geben könnte, ist unbestritten. Entscheidende Frage für die VerfassungsrichterInnen war aber, ob sich diese Eingriffe verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen. Und hier war die Antwort der RichterInnen ganz klar: Nein.

In der Brandenburger Landesverfassung steht zwar, das Land sei verpflichtet, für die „Gleichstellung von Frau und Mann“ zu sorgen – unter anderem „im öffentlichen Leben“. Diese Staatszielbestimmung genüge aber nicht als Rechtfertigung für grundlegende Änderungen im Wahlrecht. Solche „Modifizierungen“ des Demokratieprinzips müssten vielmehr per Änderung der Landesverfassung erfolgen, so die RichterInnen.

Das Urteil der neun VerfassungsrichterInnen fiel einstimmig. Das heißt, auch die Schriftstellerin Juli Zeh und der Regisseur Andreas Dresen, die dem Gericht angehören, stimmten für die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.

Damit ist das Brandenburger Urteil für die BefürworterInnen von Paritätsgesetzen ein noch größerer Rückschlag als das Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs in Thüringen im Juli, der das dortige Paritätsgesetz aus ähnlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt hatte. Dort aber stimmten immerhin drei der neun RichterInnen dagegen und gaben somit ein Minderheitsvoten ab.

Nur 32 Prozent Frauen im Brandenburger Landtag

Das Brandenburger Paritätsgesetz tritt nun also ohne jede Anwendung außer Kraft. Eine Verfassungsänderung, die es erlauben würde, ein neues Paritätsgesetz zu beschließen, ist derzeit wohl aussichtslos. SPD, Linke und Grüne haben zusammen nur 45 von 88 Sitzen im Landtag, sind also weit von der erforderlichen Zweidrittelmehrheit entfernt.

Aktuell beträgt der Frauenanteil im Potsdamer Landtag 32 Prozent. Allerdings hätte ihn auch das Paritätsgesetz bei der nächsten Wahl nicht sicher auf 50 Prozent gehoben, weil nur die Hälfte der Mandate über Wahllisten vergeben werden. Auf die Direktmandate, die in den Wahlkreisen vergeben werden, hätte das Paritätsgesetz keine Auswirkungen gehabt.

Der Bundestag ist an die Urteile der Landesverfassungsgerichte nicht gebunden. Er könnte also mit geeigneten Mehrheiten einen neuen Anlauf unternehmen und hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht etwaige Klagen ablehnen würde. Doch auch darauf sollte niemand zu viel Hoffnungen verwenden. In der letzten Zeit sprach sich die frühere linke Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff vehement gegen Paritätsgesetze aus.

Anhängig ist beim Bundesverfassungsgericht bereits eine Verfassungsbeschwerde von 15 Frauen und 5 Männern aus Thüringen. Die vom Thüringer Landesfrauenrat koordinierte Klage wendet sich gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichts. Hier könnten die Karlsruher RichterInnen bereits deutlich machen, wie sie zu Paritätsgesetzen stehen.

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