Die Wahrheit: Das Konzept Neid

Es gibt kaum etwas Peinlicheres, als wenn einem die deutsche Seele mit deutscher Seele die deutsche Seele erklärt.

Sie gehen mir tierisch auf den Sack: Die modischen „Neid“-Vorwürfe gegen „die Deutschen“, die schon länger die öffentliche Diskussion durchziehen, haben jeden real existierenden Neid an Penetranz längst um ein Vielfaches übertroffen.

Es sei ein Kreuz, die Deutschen seien so neidgetrieben, kräht es aus den Schreibstuben im Taunus, in der Toskana oder am Starnberger See, sobald jemand vorsichtig fragt, ob diese oder jene gesellschaftliche Unwucht denn unbedingt sein und obendrein noch derart zelebriert werden müsse.

Doch wer sind die Leute, die blöde den infamen Neidscheiß wiederkäuen? Die einen profitieren von besagter Unwucht, die anderen hoffen, eines Tages noch davon zu profitieren, und die dritten brown-nosen liebedienerisch im Arsch der Profiteure. Wieder andere sind smoothe Checker, die Neoliberalismus für den Inbegriff eines libertären Hippietums halten.

Gern wird der Neid auch von jenen blassen Distinktionsdünkelbrötchen diagnostiziert, die exklusiv zu wissen meinen, wie der Neidmichel tickt. Nach zwei Seiten hin übergriffig, sagen sie: „die (nicht: wir!) Almans“, obwohl sie selbst Martin Meier heißen, denn „die Almans“ sind natürlich immer die anderen: Lieschen Müller, Erika Mustermann und Otto Normalrassist, jedoch niemals unser woker kleiner Freund.

Dem geht es dabei nie um Solidarität für die gerechte Sache, sondern um einen wohlfeilen Weg, sich besser als „die Deutschen“ darzustellen, während er sich genau damit doch als Musterexemplar der ihren entlarvt. Denn es gibt wohl – außer, sich im vollbesetzten Flugzeug einzukacken – nichts Peinlicheres, als wenn einem die deutsche Seele mit deutscher Seele die deutsche Seele erklärt. Das Huhn, das gern ein Adler sein möchte, oder wenigstens einmal im Leben so ein kleines bisschen divers, aber natürlich nicht so sehr, dass es wehtut, oder man gar Nachteile hat. Jedes Mal, wenn ich so etwas lese, schmerzt die Fremdscham so sehr, dass ich mich entleiben möchte, nur damit die Seelenpein ein Ende hat.

Vielleicht sind einige derer, die stets vom Neid schwafeln, selbst notorisch derart neidisch, dass sie denken, Neid sei eine gesunde Empfindung wie Mitleid oder Liebe, und alle müssten so sein. So wie ja oft auch die Eifersucht als hehre Regung verkauft wird, und nicht als das, was sie ist: ein leidiges Abfallprodukt vielfältiger Kaputtheiten sowohl der Persönlichkeit als auch der Gesellschaft.

Mir ist – und ich bin sonst wirklich auch nur ein ganz normaler Arsch – das Konzept Neid unverständlich. Mehr Geld? Mehr als drei Schnitzel am Tag kann man nicht essen. Mehr Fame? Ja, um Gottes Willen: Hater, Schleimer, Stalker … und in Ruhe mal im Puff ne Pizza zu essen, kann man ein für alle Mal knicken. Mehr Talent? Sehr gelungene Texte von Kollegen hätte ich tatsächlich manchmal gern selbst geschrieben. Hab ich aber erstens nicht, und zweitens hält mich keiner davon ab, es zu versuchen.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.