Plan für CO2-Neutralität: China entdeckt Klima

Bislang stößt China fast ein Drittel aller weltweiten CO2-Emissionen aus. Nun verspricht Präsident Xi, sein Land werde bis 2060 CO2-neutral sein.

Eine Solaranlage in der Form eines Pandas in Datong/China

Solaranlage in der Form eines Pandas in Datong, China Foto: Zuma/imago

PEKING taz | Nur eine halbe Stunde nach Donald Trumps polterndem Auftritt bei der UN-Generalversammlung in New York machte Chinas Präsident Xi Jinping am Dienstagabend eine überraschend positive Ansage: „Unser Ziel ist es, dass der Ausstoß von Kohlendioxid vor 2030 den Höchststand erreicht und dass wir CO2-Neutralität vor 2060 erreichen“, sagte der politische Führer der Volksrepublik. Damit legt das weltweit bevölkerungsreichste Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß erstmals einen zeitlichen Fahrplan in die schadstofffreie Zukunft vor.

International wurde das Versprechen als wichtiges Signal gewertet. Bisher hatte China zugesagt, den Gipfel der Emissionen 2030 zu erreichen, von CO2-Neutralität war offiziell nie die Rede. Nun stärkt ausgerechnet der größte CO2-Verschmutzer die Bemühungen, international zu neuem Schwung beim Klimaschutz zu kommen. Das versucht die UNO derzeit verzweifelt mit ihrer „Klimawoche“ in New York. Sollte China mit dieser Ankündigung ernst machen, wäre das „die größte jemals von uns geschätzte CO2-Reduktion“, erklärte der Thinktank Climate Action Tracker: Es würde „die Projektionen zur globalen Erwärmung um 0,2 bis 0,3 Grad im Jahr 2100 senken.“

„Der Teufel steckt im Detail: China sollte noch konkrete, kurzfristige Zielsetzungen ausgeben, aber die Richtung gegenüber einer emissionsfreien Zukunft wird deutlich“, lobte auch Helen Mountford vom World Resources Institute. Sie hofft auf Nachahmer. Lutz Weischer von der Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht in Xis Ankündigung einen Erfolg für die EU: „Ohne den Vorschlag der EU-Kommission, das Klimaziel für 2030 auf mindestens minus 55 Prozent zu erhöhen, wäre China nicht zu bewegen gewesen. Jetzt aber entsteht Dynamik nach oben.“

Doch wie ernst meint Xi seinen klimapolitischen Paukenschlag? „CO2-Neutralität ist schlichtweg eine Notwendigkeit, wenn wir die Ergebnisse der Wissenschaft ernst nehmen“, sagt Li Shuo, Energieexperte bei Greenpeace China. „Das erfordert nicht nur massive Investitionen, sondern auch sofortige, noch nie dagewesene Anstrengungen – darunter einen Baustopp für neue Kohlekraftwerke.“

Chinas widersprüchliche Umweltpolitik

Tatsächlich ist Chinas Umweltpolitik widersprüchlich: Absolut gesehen ist die Volksrepublik mit etwa 11 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr größter Klimasünder, fast ein Drittel aller Emissionen werden vom Reich der Mitte ausgestoßen. Zusätzlich baut China weitere Kohlekraftwerke, auch im Ausland. Jedes zweite Kohlekraftwerk weltweit steht in China. Beim Pro-Kopf-Verbrauch rangieren die Asiaten deutlich hinter den USA oder auch Deutschland, allerdings mit etwa 8 Tonnen pro Kopf über dem EU-Schnitt von 7 Tonnen. Und im Bereich erneuerbare Energie investiert der chinesische Staat mehr als Japan, die USA und die Europäische Union zusammen.

Climate Action Tracker

„Die größte jemals von uns geschätzte CO2-Reduktion“

Die wirtschaftlichen Umwälzungen während des Coronakrisenjahres könnten nun eine einmalige Chance bieten, hoffen chinesische Umweltschützer. Xi Jinping hat in seiner UN-Rede bislang keine konkreten Schritte angekündigt. Doch um in einem Land von der Größe Chinas CO2-Neutralität erreichen zu können, benötigt es ein langfristig koordiniertes, schrittweises Vorgehen: Zuerst und technisch relativ einfach könnte die Stromerzeugung CO2-frei werden.

Die größeren Herausforderungen liegen bei anderen Feldern und anderen Treibhausgasen, wie Methan aus der Landwirtschaft mit Reisanbau oder Schweinezucht. Auch Chinas Autoflotte von mittlerweile 260 Millionen Exemplaren müsste umgerüstet werden.

Derzeit arbeitet die Kommunistische Partei an ihrem neuen Fünfjahresplan bis 2025. Dieser dient nun als erster Seismograf dafür, wie ernst es die chinesische Regierung wirklich mit ihren Klimazielen meint.

Für die Staatsführung in Peking bietet die Umweltpolitik einen der wenigen Bereiche auf dem internationalen Parkett, bei dem sie sich als verlässlicher Partner präsentieren kann. Außerdem sorgen verschmutztes Grundwasser und vor allem die massiven Feinstaubwerte für Unmut innerhalb der Bevölkerung. In Peking zeigt sich bereits ein Wandel: Früher hüllte oft apokalyptischer Nebeldunst die Hauptstadt ein. Heute erstrahlt der Himmel oft in malerischem Blau.

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