Zukunft der SPD: Verwalter des Status quo

Die SPD verharrt im Umfragetief. Das liegt an der Rolle als Juniorpartnerin der Union. Doch ein Olaf Scholz als Kanzlerkandidat wird wenig helfen können.

Saskia Esken Kevin Kühnert und Walter Borjans

Saskia Esken, Kevin Kühnert (M.) und Walter Borjans im Februar 2020 Foto: Thomas Koehler/Photothek/imago-images

Dem Morgenrot entgegen? Irgendwie will es für die SPD damit einfach nicht klappen. So sehr sich Scholz, Heil, Giffey & Co auch abmühen: In den Umfragen profitiert bislang nur die Union vom Coronakrisenmanagement der Bundesregierung. Die Sozialdemokrat:innen dümpeln hingegen weiter vor sich hin. Das erscheint auf den ersten Blick ungerecht. Aber verwunderlich ist es nicht.

Liegt es an der Parteiführung? Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist es bislang nicht gelungen, die SPD aus dem Elendstal zu führen, in dem sie die Partei im vergangenen Dezember übernommen haben. Aber diese Erwartung war ohnehin unter den gegebenen Bedingungen überambitioniert, mögen die beiden auch selbst daran geglaubt haben. Dafür war ihr Spielraum von Anfang zu gering. Durch die Coronakrise ist er nochmals kleiner geworden.

Esken und Walter-Borjans – und mit ihnen Noch-Juso-Chef Kevin Kühnert, der sie maßgeblich ins Amt gebracht hat – hegten die Vorstellung einer Arbeitsteilung, bei der die sozialdemokratische Minister:innenriege für den trüben Regierungsalltag an der Seite der Union zuständig ist, während die Parteiführung die Hoffnung auf eine bessere Zukunft jenseits der großkoalitionären Tristesse verkörpert.

Was in der Theorie pfiffig klingt, stößt in der Praxis auf nur schwer lösbare Probleme. Denn in der Konsequenz müsste eine solche Strategie die SPD-Spitze immer wieder in einen offenem Konflikt mit dem Koalitionspartner bringen, was ohne ernsthafte Exit-Option schwer durchhaltbar ist – zumal, wenn das eigene Regierungspersonal nicht mitspielt, sondern im Zweifel der Parteiführung in den Rücken zu fallen droht. Der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit sozialdemokratischer Politik lässt sich so nicht wie erhofft produktiv in eine Stimmung für neue Mehrheiten transformieren.

SPD profitiert nicht von Corona-Politik

Obsolet war das ursprüngliche Kalkül von Esken, Walter-Borjans und Kühnert ohnehin mit der Coronapandemie. Eine derartige Ausnahmesituation erfordert gemeinsames besonnenes wie entschlossenes Handeln in der Exekutive. In den Augen der allermeisten Bundesbürger:innen haben das die Bundesregierung wie auch die Landesregierungen jeglicher politischer Couleur – von Schwarz-Gelb bis Rot-Rot-Grün – bislang gut gemeistert. Davon profitiert in den Umfragen vor allem der jeweils größere und damit entscheidende Koalitionspartner. Dass unter der Ägide von CDU-Kanzlerin Angela Merkel die SPD-Minister:innen ihren Job gut gemacht haben, ist daher nichts, das auf das Konto der SPD einzahlt.

Warum auch? Dass SPD-Finanzminister Olaf Scholz zur ökonomischen Abfederung der Coronakrise nicht weiter dogmatisch an der „schwarzen Null“ festgehalten hat, war keine grandiose Leistung, sondern schlicht objektive Notwendigkeit. Sein Vorgänger Wolfgang Schäuble hätte nicht anders gehandelt. Und die Grüne Annalena Baerbock oder der Linke Bernd Riexinger ohnehin nicht. Da sollte sich die SPD auch nicht von den derzeit hohen Beliebtheitswerten von Scholz blenden lassen. Wenn er im ZDF-Politbarometer an dritter Stelle hinter Merkel und Markus Söder rangiert, dann zeigt das nur, dass ihn viele für einen passablen Vizekanzler halten. Mehr nicht.

Das Ende der schwarzen Null durch Olaf Scholz war keine grandiose Leistung, sondern schlicht objektive Notwendigkeit

Gleichwohl läuft das mediale Trommelfeuer für eine Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz bereits auf Hochtouren – so wie einst zugunsten von Steinmeier, Steinbrück und Schulz. Es gehört wenig dazu, um vorauszusagen, dass für die Parteiführung kein Weg an ihm vorbeiführen wird. Die Union wie auch die Grünen kann’s freuen, die SPD nicht.

Als „die konzentrierte Form der sozialdemokratischen Malaise“ hat der Soziologe Oliver Nachtwey den 62-jährigen Hanseaten bezeichnet. Auch wenn es in der Coronakrise etwas verdeckt wird: Scholz ist ein grauer Verwalter des Status quo, kein Mann des Aufbruchs in Richtung sozial-ökologische Transformation. Das wäre allerdings nötig, damit der SPD der Ausbruch aus ihrem Tal der Tränen gelingen kann.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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