Apple schmeißt Epic aus Appstore: Kampf um Netzmacht

Der Konflikt mit dem „Fortnite“-Entwickler eskaliert, weil der sich nicht Apple unterwerfen will. In dem Streit geht es aber nicht nur ums Geschäft.

Ein Mensch verkleidet sich als Spielfigur des Spiels Fortnite

Epic gegen Apple: ein Angestellter des Spieleherstellers auf dem Fortnite-Festival in New York Foto: Vincent Tullo/NYT/Redux/laif

Tim Sweeney ist ein Mann mit Prinzipien. Vor allem, wenn es um das offene Netz und gegen die Monopole der großen Digitalplattformen geht, was ihn innerhalb weniger Tage zu einer Art Robin Hood gegen die Konzernmacht von Apple werden ließ. Denn Anfang der Woche ist ein bereits schwelender Konflikt zwischen den Parteien derart eskaliert, dass Sweeneys Firma Epic Games der Zugang zum Appstore des iPhones komplett versperrt werden soll.

Anders als die bisweilen recht schillernden Chefs der großen Digitalkonzerne lebt Sweeney weitestgehend zurückgezogen. Wie es das Klischee der Silicon-Valley-Gründer so will, gründete er seine Spielefirma Epic Games Anfang der 1990er in der elterlichen Garage. Sein erstes selbst verdientes Geld gab er nach eigenen Angaben für Sportwagen aus. Inzwischen kauft er lieber Forstland, um es Naturschutzstiftungen zu spenden.

Die Entwicklung der Unreal-Engine, die von Programmierer*innen zur Konstruktion von Spielewelten genutzt werden kann, machte Sweeney zu einem großen Namen in der Spieleszene. Welterfolge wie „Deus Ex“, „Bioshock“ und „Mass Effect“ wurden auf Unreal programmiert, vor allem aber „Fortnite“, eine Eigenentwicklung von Epic. Mehrere hundert Millionen Menschen spielen „Fortnite“, das auch als kostenlose App verfügbar ist.

Einnahmen werden vor allem durch das Angebot von Ausrüstungszukäufen im Spiel generiert. So wurde der bis dahin bereits gut situierte Spieleentwickler Sweeney in den vergangenen zwei Jahren zum Milliardär. Die gewaltigen mit „Fortnite“ eingefahrenen Gewinne legt Epic derweil auf andere Spieleentwickler um. Die Unreal-Engine kann seit einiger Zeit kostenlos genutzt werden. Gewinnbeteiligungen werden erst fällig, wenn die darauf programmierte Software selber Millionen­umsätze macht.

Ein knappes Drittel für Apple

Den Profit aus „Fortnite“ muss Epic jedoch teilen. Die Plattformen, auf denen Spiele genutzt werden, verlangen von den Anbietern einen Anteil aus den Verkäufen, im Appstore des iPhones drastische 30 Prozent. Garantiert wird dieser goldene Schnitt dadurch, dass die gesamte Zahlungsabwicklung beim Plattformanbieter liegt, in diesem Falle Apple. Epic und Sweeney hatten davon offensichtlich genug, als sie in der vergangenen Woche in der iPhone-App von „Fortnite“ einen Bezahlmodus unter Umgehung des Appstores integrierten und diesen der Kundschaft mit einem 20-Prozent-Rabatt auf alle Einkäufe schmackhaft machten. Die Begeisterung der Spieler*innen über dieses Angebot wurde von Apple, wenig überraschend, nicht geteilt.

Erst Ende Juli fand sich Apple-Chef Tim Cook zusammen mit den CEOs von Facebook, Google und Amazon in einer Videoanhörung des US-Kongresses wieder. Dort strengt ein Ausschuss ein Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung und unlauterer Monopolbildung an. Über mehrere Stunden hinweg versuchten vier der mächtigsten Unternehmer der Welt, die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass sie in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern keine marktbeherrschende Stellung hätten und kein Stein im Weg von Wettbewerb und Innovation seien. Cook zum Beispiel wies jeden Vorwurf unlauteren Geschäftsgebarens im Appstore weit von sich.

Die Firma

Epic Games wurde von Tim Sweeney 1991 gegründet. Firmensitz ist seit mehr als 20 Jahren Cary, North Carolina. Erfolgreiche Entwicklungen waren die Spiele „Epic Pinball“, „Unreal“ und „Gears of War“, sowie die Unreal-Engine für Programmierer. Sweeney hält mehr als 50 Prozent der Firmenanteile, 40 Prozent liegen seit 2012 beim chinesischen Tencent-Konzern.

Das Spiel

„Fortnite“ und der Spielmodus „Battle Royale“ wurden 2017 veröffentlicht. In dem Spiel werden die Avatare der Teilnehmer*innen in einer Umgebung abgesetzt, deren Fläche sich sukzessive verkleinert. Ziel ist es, entweder als Einzelspieler oder Team den letzten lebenden Avatar in der Spielumgebung zu haben. Die Zahl der aktiven Nutzer*innen wird auf mehr als 350 Millionen geschätzt. Stars der Szene verdienen mit Werbung in Spielestreams sechs- bis siebenstellige Dollarbeträge im Monat. (krt)

Insofern hätte man vielleicht erwarten können, dass man bei Apple den Vorstoß von Epic zwar zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, aber angesichts des Monopolverfahrens in einer gütlichen Einigung beizulegen versuchen würde. Die Reaktion am vergangenen Donnerstag war jedoch weitaus ungnädiger, „Fortnite“ wurde umgehend aus dem Appstore entfernt.

Nun scheint es Tim Sweeney aber auch gar nicht um einen günstigeren Deal mit Apple zu gehen, sondern um das Geschäftsprinzip des Konzerns. Denn nur wenige Stunden später reichte Epic eine offensichtlich schon länger vorbereitete Klage gegen Apple ein. Die Vorwürfe darin zielen genau auf die gerade öffentlich diskutierten Kartell- und Monopolbildungsfragen ab. Epic hatte Apple eine Falle gestellt – und der Weltkonzern war sehenden Auges hineingestolpert. Die Falle ist potenziell derart gefährlich für Digitalmonopolisten, dass Netzaktivist und Schriftsteller Cory Doctorow, einer der wichtigsten Evangelisten des freien Netzes und der Souveränität der Nutzer*innen, den Konflikt bereits als „gerechten Krieg“ apostrophiert.

Und tatsächlich betont Tim Sweeney in einer sorgsam choreografierten PR-Offensive, inklusive Trailer-Video, dass es ihm lediglich darum gehe, dass Nutzer*innen frei entscheiden können, wie sie die von ihnen gekauften Geräte nutzen wollen. Von dem Milliardenprofit, der Epic mit einem Erfolg vor Gericht winken würde einmal abgesehen, stellt sich tatsächlich die dringliche Frage, ob es einen legalen Hebel gibt, die uneingeschränkte Macht der Digitalplattformen zu brechen. Deren Aufstieg ist schließlich geprägt durch ein überraschend ambivalentes Verhältnis zum Internet selbst. Dessen ursprüngliche anarchische Durchlässigkeit war einerseits zwingende Vorbedingung für die Verbreitung der Technologien, mit denen Facebook, Amazon, Google und Apple operieren.

Über die Jahre jedoch tendierten die Konzerne dazu, das Netz zu fragmentieren, seine Durchlässigkeit in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern zu beschränken. Von quasi monopolistischen Anbietern wurden sie so zu Trägern des Marktes selber, die sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite zu ihren Gunsten manipulieren können.

Kollateralnutzen in Aussicht

Für die Nutzer*innen kann das durchaus von Vorteil sein. Schließlich sind die angebotenen Dienste für uns alle kostenlos, wenn auch im Tausch gegen unsere Daten zur Verwertung für die Werbewirtschaft. Zu Verteidigung des besonders hart eingegrenzten Apple-Universums wird außerdem gerne vorgebracht, dass es besonders sicher und vertrauenswürdig sei. Und genau diese Sicherheit und dieses Vertrauen werde als Vermittlungsleistung zwischen Entwickler*innen und Nutzer*innen im Appstore zum allseitigem Vorteil eingesetzt. 30 Prozent seien nicht unbedingt zu viel dafür verlangt, dass auch völlig neue Programme ihren Weg zum Publikum finden können, ohne einen eigenen Vertriebskanal aufbauen zu müssen. Eine Argumentation, die natürlich nicht greift für einen Spielentwickler mit Milliardenumsatz und einem geschäftlichen Interesse an direktem Zugriff auf die Nutzer*innen und deren Daten.

Als würde man einen Hammer kaufen, den aber nur mit der rechten Hand benutzen dürfen

Aber auch für die Nutzer*innen selber sollte das Konzept des „walled garden“, also des schön ordentlichen und gepflegten, aber strikt eingemauerten digitalen Gartens, Grund für ­Misstrauen sein. Geben sie doch bereits mit dem Erwerb von Geräten und Software die Kontrolle über diese gleich komplett wieder ab. Es ist ein bisschen so, als würde man einen Hammer kaufen, den qua Nutzungsbedingungen aber ausschließlich mit der rechten Hand benutzen und am besten nach Verwendung nicht weiter verkaufen dürfen.

Egal ob Tim Sweeney nun die Rolle als prinzipientreuer Robin Hood wirklich ausfüllen kann: In der Situation unermesslicher Marktmacht einiger Superkonzerne kann seine Attacke tatsächlich einigen Kollateralnutzen haben. Zunächst würde eine erzwungene Öffnung der Plattformen die Interoperabilität erhöhen. Dass heißt, dass die Versuche, die Verwendung bestimmter Software auf jeweils eine Plattform zu beschränken, beendet werden müssten.

Das wäre nicht nur für die Anbieter von Cloudanwendungen, deren dezentrale, plattformübergreifende Nutzung ja gerade ihr besonderes Plus sind, eine gute Nachricht, sondern auch für deren Nutzer*innen. Noch nicht etablierte Entwickler*innen von Apps müssten nicht von Anfang an 30 Prozent ihrer potenziellen Einnahmen abschreiben und könnten gegebenenfalls einen Teil der Ersparnis an die Kundschaft weitergeben. Epic machte das mit dem Rabatt in seiner „Fortnite“-Provokation exemplarisch und propagandistisch geschickt vor.

Außerdem wären bei leichtem Zugang zu Alternativen arrivierte Konzerne wie Apple gezwungen, ihre eigenen Angebote kundenfreundlicher weiterzuentwickeln, um neue Anreize für deren Nutzung zu schaffen. Und nicht zuletzt hätten die User*innen tatsächlich ein Stückchen Souveränität im Umgang mit ihren eigenen Geräten gewonnen.

Wie das Verfahren zwischen Apple und Epic ausgeht, ist völlig offen. Beide Seiten zeigen sich absolut unversöhnlich. Die komplette Sperrung des App­store-Zugangs für Epic zum 28. August treibt den Preis der Auseinandersetzung noch einmal in die Höhe. Kartellverfahren und Prozeduren des US-Kongresse brauchen ihre Zeit. Immerhin gibt es jetzt aber einen klagefähigen Geschädigten. Und der erweckt gerade den Eindruck, das bis zum bitteren Ende durchfechten zu wollen. Hunderte Millionen Spieler*innen und Milliarden Nutzer*innen digitaler Plattformen dürfen auf den Ausgang gespannt sein.

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