Thilo Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen: Dritter Anlauf erfolgreich

Die Bundesschiedskommission der SPD bestätigt den Ausschluss des hochumstrittenen Bestsellerautors. Die Partei atmet auf. Jetzt will Sarrazin klagen.

Thilo Sarrazin im Willy-Brandt-Haus

Ende einer langen Reise: Thilo Sarrazin muss sich eine neue politische Heimat suchen Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Im dritten Anlauf hat es doch noch geklappt: Thilo Sarrazin ist nicht mehr Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das hat die Bundesschiedskommission der Partei entschieden. Sie erklärte am Freitag nach mehrstündiger Verhandlung den Rausschmiss des 75-Jährigen für zulässig. „Der Parteiausschluss ist damit wirksam“, hieß es in einer Mitteilung des Gremiums.

Die Bundesschiedskommission begründete ihre Entscheidung damit, „dass zum Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der SPD“ der Ausschluss rechtmäßig sei. Sarrazin habe „erheblich gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit Schaden zugefügt“. Bliebe er Mitglied, „entstünde nach außen der Eindruck, die SPD böte auch Mitgliedern mit Auffassungen im rechtspopulistischen Spektrum Raum“.

Konkret ging die Kommission auf Aussagen Sarrazins, der seit 1973 Mitglied war, zur Flüchtlings- und Migrationspolitik ein. So erhebe er beispielsweise die Forderung, Menschen ohne Aufenthaltsstatus notfalls mit militärischen Mitteln in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Auch fordere der frühere Berliner Finanzsenator, abgelehnten Geflüchteten gerichtlichen Rechtsschutz zu versagen. Das sei „mit den Menschenrechten, zu denen sich die SPD bekenne, nicht vereinbar“.

Eingebettet seien solche inakzeptablen Auffassungen „in eine Linie der Herabwürdigung von Menschen vor allem muslimischen Glaubens, denen er nach dem Gesamteindruck seines Werks im Kern den gleichen Wert und die gleiche Würde abspreche“.

Darüber hinaus beanstandete die Schiedskommission die Teilnahme Sarrazins an einer Veranstaltung einer FPÖ-nahen Akademie in Wien. Sein gemeinsamer Auftritt mit dem damaligen FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache im Vorfeld der Europawahlen 2019 sei eine „erhebliche öffentlichkeitswirksame Unterstützungsleistung zu Gunsten der rechtspopulistischen FPÖ“ gewesen und habe „gegen das Gebot der innerparteilichen Solidarität verstoßen“.

Aufatmen in der SPD

Damit schloss sich das oberste Parteigericht der Auffassung des SPD-Vorstandes an, der das Verfahren angestrengt hatte. Entsprechend begrüßte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil die Entscheidung. „Das ist für uns ein wichtiger, ein guter Tag“, sagte Klingbeil am Freitagnachmittag im Willy-Brandt-Haus. Sarrazin werde „künftig seine rassistischen, seine antimuslimischen Thesen nicht mehr unter dem Deckmantel einer SPD-Mitgliedschaft verbreiten können“.

In der Partei herrscht Erleichterung. „Der Ausschluss von Sarrazin ist ein starkes Zeichen“, kommentierte die stellvertertende Bundesvorsitzende Serpil Midyatli auf Twitter den Schiedsspruch. Die SPD dürfe „keine Plattform für ein Geschäftsmodell sein, das auf Rassismus und gezielter Provokation basiert“.

Der Vorsitzende der Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, twitterte „Rassismus und Intoleranz widersprechen den Grundwerten unserer SPD. Deshalb hat ein Mann wie Sarrazin in unserer Partei auch nichts zu suchen!“

Ebenso äußerte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach: „Der Ausschluss ist richtig und setzt ein klares Zeichen“, schrieb Lauterbach auf Twitter. „Mit Sarrazins Thesen begann eine neue Rassismuswelle in Deutschland, die leider bis heute anhält.“

Und die Jusos twitterten: „Sarrazin war lange kein Sozialdemokrat mehr, jetzt ist er auch kein Mitglied mehr. Endlich gilt #notmygenosse“.

Mehr als zehnjähriger Streit

Lange hat es gedauert. Die SPD hat sich mit dem Ausschluss schwergetan. Bei vermeintlichen Linksabweichlern wie dem Marburger Staatsrechtler Wolfgang Abendroth, dem Juso-Bundesvorsitzenden Klaus Uwe Benneter oder dem Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Hansen ging es einst ruckzuck und ohne viel Federlesen, sie aus der Partei zu befördern. Anders verhielt es sich im Fall des Ex-Bundesbankvorstands.

Bereits seit Sarrazin 2009, also vor über zehn Jahren, erstmalig in einem Interview mit der Kulturzeitschrift Lettre Interna­tional einen tiefen Einblick in sein biologistisches und rassistisches Weltbild gegeben hat, konnte kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass es in einem fundamentalen Widerspruch zu den Grundsätzen der SPD steht. So heißt es in deren Grundsatzprogramm: „Für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung aller Menschen – unabhängig von Herkunft und Geschlecht, frei von Armut, Ausbeutung und Angst.“ Die Partei widersetze sich „jeder Form der Diskriminierung“.

Eine solche Positionierung ist nicht wirklich kompatibel mit der Vorstellung Sarrazins, dass es „Unterschiede in der kognitiven Kompetenz von Ethnien“ gäbe oder „Begabungen und den Lebenserfolg fördernde Einstellungen in jeder Population ungleich verteilt und zu einem guten Teil erblich sind“. Trotzdem scheiterten die ersten beiden Ausschlussversuche 2010 und 2011 kläglich. 2018 kündigte der SPD-Vorstand dann jenes dritte Parteiordnungsverfahren an, das nun sein Ende gefunden hat.

Endgültig abgeschlossen ist das Kapitel damit aber noch nicht. Wie Andreas Kalbitz gegen die Annullierung seiner AfD-Mitgliedschaft vor dem Berliner Landgericht klagt, will auch Sarrazin zivilgerichtlich seinen SPD-Ausschluss rückgängig machen.

„Dies war kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“, beklagte er nach der Schiedsgerichtsverhandlung. Nun bliebe im keine andere Wahl, als seinen „Ruf zu verteidigen“. Seiner Ankündigung nach will Sarrazin durch alle Instanzen ziehen, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht.

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