NDR-Doku „7 Tage… Teleshopping“: Eine Bratpfanne gegen Einsamkeit

In der Doku lässt sich ein Reporter zum Ramschverkäufer schulen. Einblicke ins professionalisierte Quasseln, wo Fernsehen noch Fernsehen sein darf.

Szene aus der Doku: Am Set beim Teleshopping

Zwei Milliarden Euro Umsatz macht die Branche in Deutschland im Jahr Foto: NDR

Willkommen im Floskelparadies, liebe Leserin! Heute haben wir was ganz Besonderes für Sie vorbereitet, tolle Qualität, exklusiv zum Sonderpreis, das lohnt sich, oder Sabine? Man wird schon ein bisschen bekloppt, wenn man diese Doku ansieht: Eine halbe Stunde setzt sich der NDR mit dem Rufen-Sie-Jetzt-an-Irrwitz von Verkaufssendern auseinander. Wie muss es einem ergehen, für den diese halbe Stunde eine Woche gedauert hat?

Hans Jakob Rausch war für das junge Reportage-Format „7 Tage“ nicht zum ersten Mal in fragwürdiger Gesellschaft. Nachdem Rausch, Jahrgang 1985, sich zuletzt für diese Frist unter radikalen Christen bewegte, wird es in der aktuellen Folge kaum weniger spirituell: Eine Woche lang ist Rausch Azubi beim Homeshopping-Kanal Channel21, am Ende soll die erste konsumfördernde Live-Moderation stehen. Denn hier verkauft man nicht Produkte, hier erfüllt man Wünsche!

In der Doku lernen die Zuschauer*innen die Kniffe des blumigen Anpreisens kennen – und die Leute, die die das Labern übern Laubbläser perfektioniert haben. Ralf ist so einer, „Hausfrauenflüsterer“ nennen sie ihn hier (unironisch!), ein bisschen sympathisch ist er trotzdem, wie er in der Maske sitzt, sein Grinsen breiter als sein Gesicht, die Haare geschmalzt, die Hand stets zum High-Five bereit. Ralf macht das seit 18 Jahren, 40 Stunden im Monat live. Er sagt Sachen wie: „Ich bin immer Teleshopper“ oder „Mach 'nen geilen Job!“ oder, besonders schön: „Das ist natürlich ein zweischneidiges Pferd.“ So sind sie hier, es muss nicht alles ganz richtig sein, Hauptsache reden, gestikulieren, verkaufen. Nur lügen würde Ralf nicht, sagt er, aber „Zahlen zurechtbiegen“, das geht.

Es geht um Emotionen

Letztlich, so viel wird klar, geht’s hier ja auch nicht wirklich um Fugenreiniger. Es geht um ein Gefühl. Um Menschen, die gerne dabei sind, auch, wenn sie nichts bestellen. Die sogar am Silvesterabend gucken, weil vielleicht sonst gerade keiner da ist. Hier ist Fernsehen noch Fernsehen: Lineares Medium, Programm, man guckt halt, was so läuft, und vielleicht kauft man dann eine Bratpfanne gegen die Einsamkeit. Meine Mutter war begeistert!

Mittwoch, 05. Juni 2019, 23:50 Uhr, NDR

Die Filme unterm „7 Tage“-Signet werden produziert von „Die Box“, einer jungen Redaktion des NDR, die sich als Laboratorium für Dokus versteht – mal launig, mal einfühlsam, zwischen Jugendkrebsstation und Schützenfest. Diesmal also Teleshopping, warum? Rausch am Telefon zur taz: „In meiner Jugend haben wir uns darüber immer lustig gemacht, jetzt wollte ich wissen, warum das immer noch so gut funktioniert.“ Denn der Erfolg der Branche ist unverkennbar: Zwei Milliarden Euro Umsatz macht die pro Jahr in Deutschland, allein Rauschs Praktikumsstelle Channel21 aus Hannover knackt locker die 50 Millionen. Mit Grünbelagsentfernern, Handstaubsaugern, Schluppenblusen und Waschgranulat, wohlgemerkt. Da haben wir aber nicht mehr viel auf Lager!

Hinter die Kulissen wollten Rausch und seine Kolleg*innen (Kamera: Henning Wirtz, Redaktion: Domenica Berger) in ihrer „7 Tage“-Doku blicken – und man erfährt tatsächlich so einiges über die Codes des Gewerbes. Nur über genaue Verkaufszahlen oder Gewinne hält der Sender dicht. Am Ende verkauft Rausch tatsächlich ein Produkt, Verzeihung, einen Wunsch: Ein reinigendes „Universalsuperkonzentrat mit Glanztrockner.“ Was nicht rauszukriegen war: Mit was sie im Studio zuvor die Testflächen zum Vorführen schmutzig machen. Das habe man partout nicht filmen dürfen, sagt Rausch gegenüber der taz. Es ist bestimmt etwas ganz Besonderes.

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