Cannabis-Legalisierung in Bremen: Der verdampfte Konsens

Bremens SPD hat sich von der Cannabis-Legalisierung verabschiedet und damit die Grünen verärgert. Als Wahlkampfthema taugen Drogen aber immer noch.

Genussvolles Kiffen ist in Bremen weiterhin nur illegal möglich Foto: dpa

BREMEN taz | „Wirklich kein Ruhmesblatt“ sei diese Cannabisgeschichte, sagt Björn Tschöpe, Vorsitzender der Bremer SPD-Fraktion: „Ich hätte mir da auch etwas anderes von meinem Laden erwünscht.“ So bemerkenswert dieses öffentliche Eingeständnis zu dem formal längst beerdigten Thema auf einem Bremer taz Salon auch war – aus dem Nichts kam es nicht. Der sozialdemokratische Rückzug aus den vereinbarten Legalisierungsbestrebungen hatte die rot-grüne Koalition schwer belastet. Und gären tut der Konflikt noch immer.

Zur Erinnerung: Zu Beginn der auslaufenden Legislatur galt Bremen als ein Hotspot der Debatte um Cannabislegalisierung. Rot-Grün hatten sich weitgehende Entkriminalisierung in den Koalitionsvertrag geschrieben, wollte gar „Möglichkeiten ausloten für wissenschaftliche Modellversuche zur kontrollierten Abgabe“.

Nicht nur Aktivist*innen der Legalisierungsbewegung waren in Feierlaune, auch die bundesweite Presse hatte den Bremer Vorstoß mit Aufmerksamkeit verfolgt. SPD-Bürgermeister Carsten Sieling galt als großer Erneuerer, die Grünen wiederum hatten mit ihrem Traditionsthema einen prestigeträchtigen Punkt in den Verhandlungen gesetzt.

Nur passiert ist dann nichts. Die entsprechenden Anträge sind schon vorab am Widerstand der SPD gescheitert. Ab Mitte der Legislatur traten dann Linke und FPD auf den Plan, um mit eigenen Anträgen das rot-grüne Projekt einzufordern – erfolglos. Linken-Abgeordneter Nelson Janßen zeigte sich regelrecht verärgert, weil linke Drogenpolitik lange unter Verweis auf den Koalitionsvertrag ausgebremst worden sei: Die Regierungskoalition sei ja längst dran an der Sache.

Bremens SPD kämpft auf Bundesebene für Legalisierung

Ganz vom Tisch ist die liberalere Drogenpolitik freilich nicht, auch in den aktuellen Wahlkampf hat sie – in gemäßigtem Ton – Einzug gehalten. Die SPD etwa will zwar „an der rationalen Drogenpolitik des Senats“ festhalten, aber „auf Bundesebene weiter für eine Reform des Betäubungsmittelgesetzes kämpfen, um Cannabis zu legalisieren und die kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu ermöglichen“.

Auf Bundesebene für die Legalisierung zu kämpfen, heißt eben auch, zu Hause die Hände stillzuhalten. Grüne und Linke hingegen haben das Ausreizen auch der Bremischen Mittel im Programm, auch die FDP hält es laut Wahlprogramm grundsätzlich für „nicht gerechtfertigt, Menschen für Selbstgefährdung zu bestrafen“.

Die Entkriminalisierung von Cannabis stand von vornherein für einen insgesamt reformierten Umgang mit illegalen Betäubungsmitteln. Nima Pirooznia, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, sieht Projekte wie die Entkriminalisierung, die Möglichkeit, Betäubungsmittel im Rahmen von „Drugchecking“ auf Schadstoffe untersuchen zu lassen, sowie die Einrichtung von Druckräumen als „Elemente einer modernen Drogenpolitik“.

Die Chancen stehen nicht gut. „Weil die Koalition nicht am selben Strang zieht“, so Pirooznia zur taz. Das Nein der SPD habe ihn überrascht, weil ja alles längst besprochen war, „und zum Teil auch im Koalitionsvertrag steht“.

Angst vor „Drogentourismus“?

Wie es zu diesem Nein kam, ist aus heutiger Sicht bemerkenswert: Über die SPD-internen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen kursieren verschiedene Geschichten. „Eine Bremer Insellösung“ führe zu Drogentourismus, hieß es etwa.

Auch von der Sorge um Verärgerung im traditionellen, gewerkschaftlichen Milieu war die Rede – wie auch immer sich das mit der Enttäuschung einer urbanen, jüngeren Wähler*innengeneration verrechnen lässt. Deutlich handfester klingt jedenfalls die Version, nach der sich in der SPD innenpolitische Bedenken in einer Debatte durchgesetzt hätten, die bis dato vor allem gesundheitspolitisch geführt wurde.

Björn Tschöpe, Vorsitzender der Bremer SPD-Fraktion

„Ich hätte mir da auch etwas anderes von meinem Laden erwünscht“

Diese Gewichtung zieht sich auch inhaltlich durch sämtliche parlamentarische Debatten der Legislatur. Was kostet die Strafverfolgung von Drogenkonsument*innen hatte etwa die Linke abgefragt. Die Grünen wollten das ausdrücklich für Cannabisdelikte wissen. So ganz genau konnte der Senat das zwar nicht beantworten, aber wie Pirooznia sagt: „Mit Daumengröße und begründeten Annahmen kann man schon sagen, dass zwischen 10 und 12 Millionen Euro für die Verfolgung ausgegeben wurden.“ Die Ausgaben für Präventionsarbeit lägen dagegen etwa zwischen 150.000 bis 200.000 Euro. „Das ist ein Missverhältnis“, so Pirooznia – wünschenswert sei mindestens so viel Geld für die Prävention wie für die Strafverfolgung.

Die Zahl der DrogenkonsumentInnen steigt

Befürworter*innen der Liberalisierung gehen heute so vor: Aus den nicht gestellten Anträgen wurden immerhin Anfragen, die mit beachtlicher Detailtiefe dann von SPD und Grünen zusammen bestritten wurden.

Zur Frage nach dem „Drugchecking“ sagte Anfang des Jahres die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Stephanie Dehne, das SPD-geführte Gesundheitsressort habe eindeutige Zahlen vorgelegt und durchaus beigetragen zur einer „rationalen Drogenpolitik“. Das seien Erkenntnisse, von denen sie hofft, dass sie nun langsam in die anderen Senatsressorts „einsickern würden“. Nur so ließen sich die gesellschaftlichen Schäden in den Griff bekommen, die Prohibitionspolitik verursache.

Unstrittig ist, dass die Zahl der drogenkonsumierenden Menschen stetig ansteigt – und das trotz erheblichen Ressourceneinsatzes auf Seiten der Sicherheitsbehörden.

Dass man statt Forderungen heute Fragen stellt, ist auch eine taktische Entscheidung. Bei der kürzlich auf den Weg gebrachten Machbarkeitsstudie für Druckräume, geht es Pirooznia zwar einerseits darum Informationen aus den Behörden und das Know-How von Trägern der Drogenhilfe zusammenzutragen, aber auch um mögliche Verhandlungen um eine neue Regierungskoalition: „Wir haben bei der Entkriminalisierung gelernt, dass es wichtig ist, alles so deutlich wie nur möglich aufzuschreiben“, sagt Pirooznia. Wenn man dies nicht tue, „dann scheint es später ja offenbar zu Unklarheiten zu kommen“.

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