Mitglieder-Werbung von Scientology: Eso-Konzern startet Offensive

Die Scientology-Sekte versucht, im Norden wieder Fuß zu fassen. Tarnorganisationen sollen den Kontakt zur Bevölkerung knüpfen.

Passanten gehen an der Zentrale der Scientology Kirche in Hamburg vorbei.

Unter anderem hier sollen die neuen Mitglieder landen: Scientology-Zentrale in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Scientology versucht ein Comeback. Nachdem es um die Sekte jahrelang ruhig geworden war, versucht der aus Florida gesteuerte Eso-Konzern vor allem in Hamburg seit Kurzem verstärkt, neue Mitglieder zu gewinnen: über Tarnorganisationen, deren Verbindung zu Scientology wohlweislich verschwiegen wird.

So fährt derzeit eine „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“ (KVPM) eine Kampagne gegen die Jugendamtspraxis, Kinder, deren Wohl akut – etwa aufgrund häuslicher Gewalt oder Verwahrlosung – gefährdet ist, aus dem Elternhaus zu nehmen, um Schlimmeres zu verhindern. Für die 1972 gegründete Scientology-Tarnorganisation, die eine Anlaufstelle in Rahlstedt hat, ist das „staatlicher Kinderklau“. Für den Hamburger Verfassungsschutz ist das wiederum ein „nicht ansatzweise zu rechtfertigender Begriff“, mit dem die „Frontgroup“ der Scientologen versuche, „sich öffentlichwirksam zu positionieren“.

Schon seit Jahren versucht Scientology, in den sozialen Netzwerken und über Tarn­organisationen – meist im Bereich der Lebenshilfe – neue, zahlungskräftige Mitglieder zu gewinnen. So betrieb die Scientology-Tochter „Narconon“ bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren nahe Itzehoe eine „Drogenhilfeeinrichtung“, über die sie suchtkranke Menschen für die Sekte rekrutierte.

Mit dem Thema Drogen versucht die Sekte, auch heute noch zu punkten. Seit einigen Wochen finden sich wieder verstärkt bereits 2015 aufgelegte „Info-Broschüren“ zum Thema Drogenmissbrauch in den Briefkästen Hamburger Privathaushalte. Herausgeber der Mini--Flugschriften über Cannabis, LSD oder Heroin ist ein Verein namens „Sag Nein zu Drogen – sag Ja zum Leben“.

Marco Haase, Verfassungsschutz

„Scientology versucht, über die Instrumentali-sierung von sozial akzeptiertem Engagement neue Anhänger zu gewinnen“

Auch das, weiß das Landesamt für Verfassungsschutz, ist eine Scientology-Tarnorganisation, wobei es in den Broschüren keinen einzigen Hinweis auf diese Verbindung gibt. „Scientology versucht, über die Instrumentalisierung von sozial akzeptiertem Engagement neue Anhänger zu gewinnen und sein angeschlagenes Image aufzubessern“, sagt der Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, Marco Haase.

Zur Strategie der Scientologen gehört auch der Versuch, von „Sag Nein zu Drogen“ am Hamburg Commercial Bank Run – dem früheren HSH-Nordbank-Run – am 22. Juni in der Hafen City als Läufergruppe teilzunehmen. Die Ausrichter informierten sich beim Verfassungsschutz und sagten, so bestätigte es die Organisationsleitung der taz, den Scientologen daraufhin ab. Im vorigen Jahr noch war es der Gruppe gelungen, an dem Sportevent teilzunehmen und die Veranstaltung zu nutzen, um für sich zu werben.

Der Grund für all diese Aktivitäten: Scientology laufen die Anhänger davon, die Zahl der AussteigerInnen übersteigt in Deutschland und auch in Hamburg seit Jahren bei weitem die Zahl der NeueinsteigerInnen. Laut Verfassungsschutzbericht hat sich die Zahl der in Hamburg lebenden SektenanhängerInnen in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr als halbiert – von 750 auf 350 Personen.

Vom Verfassungsschutz beobachtet

Auch aufgrund des staatlichen Engagements: Seit 1997 wird die „Church“, wie sich die Sekte selbst nennt, wegen demokratiefeindlicher Bestrebungen vom Verfassungsschutz beobachtet. 18 Jahre lang, von 1992 bis 2010, gab es in der Innenbehörde sogar eine „Arbeitsgruppe Scientology“ unter Leitung der ehemaligen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ursula Caberta, die sich um die Aktivitäten der Sekte kümmerte und die BürgerInnen vor ihr warnte.

Die Öffentlichkeitsarbeit trug Früchte: Noch in den 1980er- und 1990er-Jahren hatten Sektenmitglieder versucht, über Maklerfirmen die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum voranzutreiben und so Geld für sich und die „Church“ zu beschaffen. Inzwischen sind auch diese Firmen vom Markt verschwunden.

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