Noch immer Kämpfe in Syrien: Angst vor einem Massaker

Syrien ist wieder zum größten Teil unter Assads Kontrolle. Doch in der Rebellenhochburg Idlib finden noch immer heftige Kämpfe statt.

Zerbombtes Haus in Idlib

8 Jahre Krieg: Am Mittwoch legten russische Jets dieses Wohnhaus in Schutt und Asche Foto: dpa

ISTANBUL taz | Während in Brüssel Hilfsgelder für syrische Flüchtlinge eingesammelt werden, geht der Krieg im Land weiter. Nicht mehr so heftig wie noch im letzten Jahr, doch immer noch mit dem Potenzial, jederzeit wieder in eine blutige Schlacht auszuarten.

Das gilt vor allem für die letzte noch von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Norden des Landes entlang der türkischen Grenze. ­Idlib ist einerseits ein Sammelbecken von Assad-Gegnern, die, nachdem alle anderen Rebellenhochburgen vom Regime zurückerobert worden waren, nach Idlib flüchteten.

Andererseits aber ist es auch das letzte Refugium für ausländische Dschihadisten, mit Ausnahme des Dorfes Baghus im Südosten Syriens, wo die letzten IS-Kämpfer sich gegen ihren Untergang stemmen.

Als im letzten Jahr das Assad-Regime drohte, Idlib großräumig anzugreifen und damit eine humanitäre Katastrophe zu verursachen, gelang es dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, in letzter Minute mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Rebellengruppe HTS hat volle Kontrolle

Der sieht vor, entlang der Provinzgrenzen von Idlib eine entmilitarisierte Zone einzurichten, aus der die Rebellenmilizen sich zurückziehen, damit keine weiteren Angriffe aus Idlib heraus auf syrische oder russische Truppen stattfinden könnten.

Während Assad zähneknirschend zustimmte, übernahm Erdoğan die Verantwortung, die Rebellenmilizen zu entwaffnen und ruhigzustellen. Mittlerweile steht fest, dass die türkische Armee damit gescheitert ist. Statt die Waffen abzugeben hat die Nusra-Nachfolgeorganisation Hai’at Tahrir al-Scham (HTS) im Januar die anderen Rebellengruppen angegriffen und besiegt und kontrolliert nun ganz Idlib.

Seitdem häufen sich die Zwischenfälle. HTS greift immer wieder Assad-Truppen an und beschießt den russischen Luftwaffenstützpunkt Hamaimim südlich von Idlib, was regelmäßig zu Vergeltungsangriffen der Assad Truppen aber auch zu russischen Luftangriffen führt.

Am Mittwoch dieser Woche fand der schwerste Luftangriff auf Idlib seit dem türkisch-russischen Abkommen vom September letzten Jahres statt. Mindestens 22 Menschen wurden getötet. Allerdings starben zuvor etliche syrische Soldaten bei Angriffen der HTS.

Türkisch-russische Patrouillen

Die Financial Times zitierte vor wenigen Tagen einen russischen Offiziellen: „Unsere Geduld geht zu Ende. Die Lage wird von Tag zu Tag schlimmer.“

In einem letzten Versuch, den drohenden Großangriff auf Idlib abzuwenden, haben die Verteidigungsminister der Türkei und Russlands vereinbart, dass entlang der Demilitarisierten Zone gemeinsame türkisch-russische Patrouillen stattfinden sollen, die Anfang dieser Woche begannen.

In Idlib sind auf einer relativ kleinen Fläche rund 3 Millionen Menschen eingeschlossen. Die Türkei befürchtet, dass bei einem Versuch des Regimes, Idlib zurückzuerobern, ein Massaker stattfinden wird und Hunderttausende Flüchtlinge über die Grenze in die Türkei drängen könnten.

Während in Idlib die letzte Schlacht noch bevorsteht, geht sie in Baghus in diesen Tagen zu Ende. Nachdem Anfang der Woche noch einmal 2.000 Kämpfer und Zivilisten sich aus der letzten militärischen Stellung des IS in Syrien absetzten, können die von den Kurden dominierten Syrian Democratic Forces (SDF-Truppen) mit amerikanischer Luftunterstützung nun gezielt gegen die letzten IS-Kämpfer vorgehen.

Es wird nur noch wenige Tage dauern, sagte am Mittwoch ein Sprecher der SDF, bis der sogenannte Islamische Staat in Syrien Geschichte ist.

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