Kommentar Volksentscheid Enteignungen: Die Gier-Suppe bitte auslöffeln

Um sich gegen steigende Mieten zu wehren, machen die BerlinerInnen Druck. Diese Drohkulisse hat sich die Branche selbst eingebrockt.

Eine Frau unterschreibt ein Dokument, das eine andere Frau ihr hinhält

Wenn es um bezahlbare Mieten geht, unterschrieben die Berliner alles, was ihnen hingehalten wird Foto: imago/Christian Mang

Von einer erfolgreichen Abstimmung ist die Berliner Initiative, die per Volksentscheid die größten Immobilienkonzerne enteignen will, noch weit entfernt: Das mehrstufige Verfahren zieht sich in der Regel über ein bis zwei Jahre, im April erst beginnt die Unterschriftensammlung. Trotzdem sorgt das Vorhaben in der Hauptstadt bereits für jede Menge Wirbel. Die rot-rot-grüne Regierung sieht sich zur Positionierung gezwungen – und findet keine gemeinsame Haltung –, Wirtschaftsvertreter laufen Sturm gegen das Vorhaben.

Für diesen Wirbel gibt es zwei Gründe. Der eine betrifft das Mittel, der andere den Inhalt: Volksbegehren werden in der Stadt immer populärer, in den sozialen Bewegungen gibt es mittlerweile jede Menge Know-how dazu, wie dieses Instrument am geschicktesten eingesetzt wird. Und: Die explodierenden Mieten sind für die BerlinerInnen zum Thema Nummer eins geworden, und zwar längst nicht mehr nur in den Altbauquartieren der Innenstadt.

Um etwas gegen steigende Mieten zu tun, würden die BerlinerInnen quasi alles unterschreiben, was ihnen hingehalten wird. Und weil politische Regulierungsversuche wie die Mietpreisbremse zu Recht als gescheitert gelten, wendet man sich anderen Mitteln zu, selbst ein so verpönter Begriff wie Enteignung findet stadtweit Zuspruch.

Für die Immobilienbranche, für Wirtschaftslobbyisten oder die FDP ist das natürlich zum Haareraufen. Dort wird man sich freuen über die Ankündigung der Ratingagentur Moody’s, die Hauptstadt im Falle eines erfolgreichen Volksentscheids herabzustufen, schließlich schafft diese eine Art Drohkulisse.

Allein, nützen wird es wenig – die Drohkulisse der nächsten Mieterhöhung ist für die meisten Berliner ungleich konkreter. Diese Suppe hat sich die Branche mit ihrer Gier, das Maximum an Profit aus dem Wohnungsmarkt herauszupressen, selbst eingebrockt. In den nächsten Monaten wird man in Berlin zusehen können, wie geschickt sie sie auslöffeln wird.

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Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.

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