Frauenhaus Tieckstraße: Ein Gesetz wird zweckentfremdet

Ein neues Wohnprojekt für obdachlose Frauen und Kinder soll jetzt Strafe zahlen: weil es angeblich Wohnraum zweckentfremdet.

Das Angebot für wohnungslose Frauen ist gefährdet Foto: Screenshot: taz

Damit hatten die Diakonie und die Koepjohann’sche Stiftung nicht gerechnet: Für ihr Wohnprojekt für obdachlose Frauen und Kinder, das kürzlich in einem ehemaligen Pfarrhaus in der Tieckstraße Mitte eröffnet wurde, fordert das Bezirksamt eine Zweckentfremdungsabgabe von 4.000 Euro im Monat.

Dabei hatte das Projekt im Vorfeld viel Lob bekommen. Insgesamt 48 Frauen mit und ohne Kinder sollen hier ab Mitte März untergebracht und betreut werden. Die Träger reagieren mit der berlinweit einmaligen Einrichtung darauf, dass es in Berlin immer mehr obdachlose Frauen und Kinder gibt, für die in herkömmlichen Einrichtungen Beratungs- und Rückzugsmöglichkeiten fehlen. Zudem sind sie dort nicht ausreichend vor Belästigungen und Übergriffen geschützt.

Doch nun steht die Mehrheit der Plätze auf der Kippe. „Die Nachricht hat uns geschockt“, sagt Monika Lüke, Geschäftsführerin der Diakonie Stadtmitte. „Jetzt sollen wir Geld dafür bezahlen, dass wir Frauen und Kinder, die sonst auf der Straße leben, eine Unterkunft und Zukunftsperspektiven bieten.“

Die Unterbringung von Obdachlosen ist Pflichtaufgabe der Bezirke. In der Begründung der Zweckentfremdungsabgabe argumentiert der Bezirk mit dem 2018 verschärften Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Demnach fällt „auch die Unterbringung von Obdachlosen oder geflüchteten Menschen zu Tagessätzen“ unter Zweckentfremdung. Damit hatte Berlin auf Missbrauch in diesem Marktsegment reagiert. An den Tagessätzen, die die Jobcenter zahlen, verdienen viele besser, als wenn sie die Räume als reguläre Wohnungen anbieten. Laut Lüke trifft das auf die Diakonie nicht zu: „Wir sind eine gemeinnützige kirchliche Einrichtung.“

Einlenken signalisiert

Bei der Eröffnung der neuen Einrichtung vergangene Woche zeigten Vertreter von Senat und Bezirk sich bereit, einzulenken. Staatssekretär Alexander Fischer (Linke) sagte, das Gesetz treffe hier erstmals einen gemeinnützigen Träger, was der Gesetzgeber nicht gewollt habe. Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) erklärte: „Wir werden das lösen.“

Am Freitag schrieb Sozialsenatorin Elke ­Breitenbach (Linke) auf Face­book, die Lösung sei bereits auf dem Weg. Damit will sie der Diakonie eine langwierige verwaltungsrechtliche Auseinandersetzung ersparen, denn die hatte Widerspruch gegen den Behördenbescheid angekündigt. Lüke: „Eigentlich wollen wir unsere Kraft lieber darauf verwenden, für die Frauen und Kinder da zu sein.“

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