Pressefreiheit in der Ukraine: YouTube kuscht vor Moskau

Ukrainische Journalisten sollen ein Video über die Festnahme eines Krimtataren löschen. Youtube setzt damit eine Forderung Russlands durch.

Eine Frau trägt Handschellen, sie protestiert

Protest gegen die Verhaftung des Krimtataren Emir-Usein Kuku in Kiew, 2016 Foto: imago/Ukrainian News

KIEW taz | Da staunten Die JournalistInnen des in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angesiedelten „Zentrums für journalistische Recherchen“ nicht schlecht, als am 5. Februar ein Schreiben der Rechtsabteilung von Youtube eintrudelte, das die Redakteure aufforderte, ein 2016 auf Youtube upgeloadetes Video zu löschen. Sollten diese der Aufforderung nicht nachkommen, werde man die Datei selbst löschen. Man sei, so Youtube, von der russischen Aufsichtsbehörde für Medien, Telekommunikation und Datenschutz, „Roskomnadsor“, auf den gesetzwidrigen Inhalt des Videos hingewiesen worden.

Vor fast drei Jahren, am 17. Februar 2016, hatte das „Zentrum für journalistische Recherchen“ auf Youtube ein 6-minütiges Video upgeloaded, das die Verhaftung des Krimtataren Emir-Usein Kuku in dem 6000 Einwohner zählenden Ort Korejs, 12 Kilometer südlich von Jalta, beschreibt. Zu sehen sind Szenen einer Verhaftung in einem ländlichen Gebiet, Polizisten, die einen Hof abriegeln, die Ehefrau und Mutter, die von der Festnahme, der Hausdurchsuchung und den Haftbedingungen sprechen.

Emir-Usein Kuku, so die deutsche Sektion von „Amnesty International“ auf ihrer Homepage, sei ein bekannter Menschenrechtler der krimtatarischen Gemeinde auf der Halbinsel Krim, der sich nach der Besetzung der Halbinsel durch Russland einer Menschenrechtsgruppe angeschlossen und Verletzungen von Menschenrechten dokumentiert habe.

Im Februar 2016 war er wegen des unbegründeten Vorwurfs festgenommen worden, so Amnesty International, ein Mitglied der islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir zu sein, die in Russland als „extremistisch“ verboten ist. Emir-Usein Kuku hat jeglichen Kontakt mit dieser Bewegung bestritten.

Arm reicht bis Kiew

In einer Resolution der Generalversammlung der UNO hatten sich am 22. Dezember 2018 65 Länder besorgt über die Menschenrechtslage auf der Krim geäußert und in diesem Zusammenhang auch auf das Schicksal von Emir-Usein Kuku hingewiesen.

Ukrainische Journalisten sind ungehalten darüber, dass der Arm von Roskomnadsor bis nach Kiew reicht. Verstehen könne er Youtube, so Roman Golovenko gegenüber der Nachrichtenagentur „ukrinform“: „Youtube will einen Markt mit 100 Millionen Menschen nicht verlieren. Da muss es eben auch auf die Interessen Russlands eingehen.“

Möglicherweise, so Golovenko, sei die Entscheidung zu diesem Video auf einer unteren Ebene gefällt worden sei. Youtube habe für den postsowjetischen Raum russischsprachige Mitarbeiter, die oft aus Russland kommen und so die russischen Positionen verinnerlicht haben.

Gleichwohl sei der Versuch, das Video der Verhaftung von Emir-Usein Kuku löschen zu lassen, gerade vor dem Hintergrund geplanter Änderungen der Content-Bestimmungen bei Youtube ein gefährlicher Präzedenzfall.

Regierung mischt sich ein

Youtube will energischer gegen Falschinformation im wissenschaftlichen Bereich vorgehen. Dazu gehört auch die Geschichtsforschung. Und da sei es gefährlich, wenn ein einfacher Mitarbeiter entscheiden könne, ob ein historischer Inhalt Falschinformation sei.

„Man kann sich schon vorstellen, was mit Inhalten zur ukrainischen Geschichte passiert, wenn ihre Wahrhaftigkeit und ihr „Extremismusniveau“ und damit das Recht auf Veröffentlichung von russischen Zensoren und Bots bestimmt wird.“ so Golovenko.

Inzwischen hat sich auch die ukrainische Regierung eingemischt. In einem Schreiben an Youtube und die Muttergesellschaft Google fordert die stellvertretende Informationsministerin Emine Dschaparowa diese auf, das beanstandete Video nicht zu löschen, der Forderung von „Roskomnadzor“ nicht nachzugeben und ein Augenmerk auf die in Russland angewendeten Methoden zu werfen. Diese erstickten die Redefreiheit, schürten Feindschaft und missachteten grundlegende Menschenrechte.

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