Fananleihen beim HSV: Riskantes Geschäft

Der Hamburger SV legt wieder mal eine gut verzinste Fan-Anleihe auf. Es wird deutlich, wie marode der Zweitligist tatsächlich ist.

Bernd Vollmann spricht und gestikuliert

Bernd Vollmann, Vorstandschef beim HSV, bei der Mitgliederversammlung am 19.02.2019 Foto: dpa

Der Hamburger Sportverein startet in dieser Woche in die nächste K. O.-Runde: Seit Montag wird die neue HSV-Anleihe frei verkauft. Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann bietet „seinen Fans“ auch schicke Schmuck-Anleihen zu 100 und 250 Euro an. Zuvor war die Umtausch- und Vorkaufphase für Inhaber der alten „Jubiläums-Anleihe“ aus dem Jahre 2012 zu Ende gegangen. Bis Montagabend wurden dabei 7,4 Millionen Euro gezeichnet. Insgesamt sollen die neuen Wertpapiere mehr als 17 Millionen Euro in die Kasse der HSV Fußball AG spülen.

Geld, welches der klamme Zweitligist dringend nötig hat. „Ich denke, die Fan-Anleihe dürfte für den HSV neben dem möglichen weiteren Engagement von Mäzenen eine der letzten Möglichkeiten sein, zusätzlich Geld einzusammeln“, sagt Fußballökonom Henning Vöpel.

Sollte sich ein Fan tatsächlich der Mühe unterziehen, den 144 Seiten dicken Wertpapierprospekt durchzublättern, könnte er erschrecken. Vorsichtshalber wird darin erklärt, was 3. Liga ist, und mehr als ein Dutzend Mal taucht der Begriff „Insolvenz“ auf. Dabei wird der Prospekt konkret. In Summe stehen vor einer möglichen Pleite der AG sage und schreibe 85,5 Millionen Euro an Schulden zu Buche. Da wird sportlicher Aufstieg zu einem wirtschaftlichen Muss.

Investoren werden trotz allgemeiner Niedrigstzinsphase mit satten Zinsen von 6 Prozent pro Jahr geködert. Der neue alte Klubboss Hoffmann lobt „eine attraktive Investitionsmöglichkeit“ aus. Der reinen Fan-Liebe traut der frühere Chef des Sportrechtevermarkters Ufa offenbar nicht. Zum Vergleich: Hardcore-Fans der taz begnügten sich bei einer Anleihe der Genossenschaft mit einem Zinssatz von 2,0 oder 2,5 Prozent.

Freilich misstrauen auch andere Fußballfirmen ihrer Kundschaft. Auch die Berliner Hertha, Otto Rehhagels früherer Meisterklub Kaiserslautern („Geld schießt keine Tore“) oder St. Pauli sowie ein Dutzend weiterer Emittenten lockten mit hohen Zinssätzen zwischen 5 und 6,75 Prozent.

Für Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI, ist das ein klarer Fall: „Die relativ hohen Zinsen spiegeln das hohe Risiko wider, für das die Käufer der Anleihe kompensiert werden wollen.“ Lediglich der 1. FC Köln begnügte sich 2016 mit 3,5 Prozent. Selbst dieser Zinssatz lag allerdings deutlich über dem seinerzeit gängigen Zinssatz für beispielsweise Sparbücher.

Eingerahmtes Schmuckstück

So wie AG-Fußballvorstände offenbar den Anhängern der Klubs misstrauen, fehlt Bankern das Vertrauen in diese Vorstände. Hinter den meisten Anleihen dürfte die Weigerung von Banken und Sparkassen stehen, (weitere) Millionenkredite an kickende Mittelstandsunternehmen zu vergeben. Gleichzeitig dienen den Klubs ihre Fußballanleihen zur Kundenbindung. Und manche Schmuckaktie bleibt einfach über dem Schlafsessel hängen, ohne dass die Rückzahlung eingefordert wird.

Komisch finden Nörgler, dass die neue HSV-Anleihe eigentlich nur aufgelegt wurde, um die alte zu tilgen. So steht es im Prospekt. Allerdings ist dies auch in der „normalen“ Wirtschaft üblich. Die ebenfalls mit 6 Prozent verzinste Jubiläums-Anleihe von 2012 muss HSV-Boss Hoffmann nämlich im September zurückzahlen.

Bereits diese hatte bundesweit für Furore gesorgt. Der ehemalige Volleyball-Nationalspieler Klaus Meetz, selbst HSV-Mitglied, hatte sogar Strafanzeige gestellt. Kritiker wie er warfen der Vereinsführung damals vor, die Fan-Gelder zweckentfremdet zu haben. Eigentlich sollte damit ein Campus für den sportlichen Nachwuchs auf dem Trainingsgelände gebaut werden – stattdessen wurden Finanzlöcher gestopft. Das Geld aus der Anleihe ist weg. Das Hamburger Abendblatt schrieb jüngst vom „wohl größten Betrug der jüngeren HSV-Vergangenheit“. Aus Sicht der Finanzaufsicht Bafin reicht es jedoch grundsätzlich aus, wenn das Unternehmen zum Zeitpunkt der Prospektbilligung die „geplante“ Verwendung der Erlöse „plausibel darstellt“.

Der damalige Vorstandschef des HSV, Carl-Edgar Jarchow, hatte seinerzeit auf das Kleingedruckte verwiesen: Notfalls könne das Geld auch für die „operative und finanzielle Flexibilität der HSV-Gruppe“ verwendet werden. Ähnliche Ausflüchte finden sich in dem Wertpapierprospekt für die neue Anleihe. Die soll von 2022 an jährlich nach und nach getilgt werden. „Schau’n mer mal“, wie Kaiser Franzl zu sagen pflegte. Riskant sind Fußballanleihen für Fans ohnehin immer.

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