Elke Brauweiler im Konzert: Hauchig bis rauchig

Einst war Paula die Berliner Pop-Band der Stunde. Jetzt stellte Sängerin Elke Brauweiler ihr neues Soloalbum in Berlin-Mitte vor.

Gesicht von Elke Brauweiler, die Augen sind verdeckt und sie trägt einen Hut

Die Berliner Musikerin Elke Brauweiler Foto: Anke Phoebe Peters

Oh ja, das Jahr 2000 war ein großes Jahr. Schon beim Millen­niumswechsel passierte keine Computerkatastrophe. Das Club­schiff MS Stubnitz ankerte im Hamburger Hafen; die Kompakt-Crew aus Köln legte auf; die beste Freundin fing bei Ladomat an; andere Freunde jobbten für gutes Geld bei Universal; die neue Liebe war DJ im Golden Pudel Club und mit Andreas ­Dorau befreundet.

Und der hatte gerade einen grandiosen Remix angefertigt für eine grandiose neue Elektropop-Perle: „Als es passierte“ von Paula. Summend – „Der Nachmittag brachte eine Antwort und die Erlösung“ – ging dieses Jahr zu Ende, Paula waren in aller Munde.

Ein Paar aus Berlin, schön und federleicht, machte diese Musik zur Stunde: schön und federleicht, tanzbar und eingängig, die Texte deutsch, etwas schräg und verspielt, Kabale und Liebe aus dem berufsjugendlichen Wochentagsbar-Kosmos von Berlin-Mitte. Paula, bestehend aus Elke Brauweiler und Berend Intelmann, hatten aus dem Nichts heraus von der Plattenfirma einen Fünfjahresvertrag bekommen. Gestaffelt. Also für jedes Album mehr Geld. So was gab’s damals noch.

Brauweilers mädchenhaft-kieksige, extrem wiedererkennbare Stimme und das Song- und Textwriting von Intelmann trugen Paula durch die kleinen netten Clubs der Republik und zu einer gewissen Indie-Elektro-Größe – auch wenn sie über den Chartplatz 99 für eine einzige Single nie hinauskamen. Lange Jahre ging das so, der ganz große Hit kam nicht, der Bohème-Status aber war gesichert. 2014 war dann Schluss mit Paula.

„Sag mal, spinne ich?“

Elke Brauweiler arbeitete als Klavier- und Gesanglehrerin. Sie ging als Bratschistin auf Tour mit José González und seiner String Theory; sang bei Commercial Breakup; machte für die „beBerlin“-Kampagne eine Knef-Coverversion. Und komponierte. Jetzt allein. Beschloss, ein Soloalbum aufzunehmen. Suchte Label, Manager, Bookingagentur – fand nichts davon. Kürzlich im Radio-1-Interview erzählte sie, hin und wieder gedacht zu haben: „Was ist denn los, sag mal, spinne ich?“

Die Zeiten haben sich geändert. Die Labels erwarten, dass man mit einem fertig produzierten Album vorstellig wird, die Deals sind unattraktiv, für gute Promo muss man draufzahlen. Also hat Elke Brauweiler eine Crowdfundingkampagne gestartet, die nötigen 6.000 Euro zusammengesammelt, und mit einem Rock-’n’-Roll-Produzenten das Album gemacht. Es ist jetzt fertig, Ende 2018 bei einem kleinen Label aus Halle erschienen, und heißt „Freund“.

Würde man einen vormals strahlenden Stern verglüht sehen?

Am Dienstagabend hat Elke Brauweiler es in berlin im Acud, diesem Inbegriff von in die Jahre gekommenem Mitte-tum, vorgestellt. Ich hatte Angst vor diesem Konzert. Auf Startnext wurde mit einem Songzitat um Unterstützung gebeten: „Denn jeder weiß, dass nachts allein Unglück wächst. Und Schwarz die hellste Farbe der Seele ist.“

Nächster Dämpfer: Die irgendwo verlinkte Website elkebrauweiler.de existiert nicht, die Domain steht zum Verkauf, man kommt von hier nur zu Zahnzusatzversicherungen und Pizza-Lieferservices. Würde man einem vormals hellstrahlenden Stern beim Verglühtsein zusehen müssen? Weit gefehlt!

Ja, der Club ist sehr klein. Ja, nach den verteilten Wangenküsschen zu urteilen, sind eigentlich nur Friends & Family da. Und, ja, mit meinen knapp Ü-40 gehöre ich zu den Jüngeren. Aber so what? Elke Brauweiler im bunt karierten Westernkleid ist schön wie eh und je, dazu bester Laune. Ihre Band (Bass, Gitarre, Pedal Steel Guitar, Schlagzeug): das Schlagzeug zu laut, der Bassist verspielt sich, alles zusammen wirkt erst mal verstolpert, gewollt befindlichkeitsexpressiv, unrund. Aber das gibt sich.

Freude im Gesicht

Elke Brauweiler sitzt am E-Piano und singt mit hauchig-rauchiger Stimme über Liebeskummer und Weitermachen, über geliebte Narben, Schrammen und Beulen, den großen Knall und den Stromausfall, über Stürze und den Fall durch Wände. Sie erzählt von der Beerdigung des Vaters und von Martin Wanderer aus der Linienstraße, der sie für ihre damals beste Freundin, wohnhaft direkt gegenüber, verließ.

„Die Sau!“ Dann moderiert sie das nächste Stück an: „Und jetzt noch so was Langsames, Düsteres.“ Hinterher fragt sie: „Geht’s euch gut? Ihr wirkt so betrübt. Ist halt leider nicht Paula, ist jetzt Elke Brauweiler, ich habe mich irgendwie neu erfunden. Aber ich habe Freude im Gesicht.“

Elke Brauweiler: „Freund“ (Eigenverlag).

Melancholischer Pop, Schmalz­rock, Chanson, eine Prise Sto­ner Rock, hier und da der Jazz­besen, das sind so die Ingredienzien. Mitsingbarkeit ist eher selten garantiert, ja, diese Musik ist eigen und gewöhnungsbe­dürftig. Aber sie hat viele gute Momente und einige Sprachbilder, die hängen bleiben.

Die elf Songs des Albums werden gespielt, als Zugabe gibt’s zwei alte Paula-Stücke, ganz frisch von der Leber weg. Da ist nichts Verletztes, kein Gram und kein Hadern mit der Vergan­genheit. Da ist reine Gegenwart und vor allem eine Elke Brau­weiler, die schön und unverblümt, witzig und stolz auf der Bühne steht und ihr Charisma versprüht. Als Album lohnenswert und live noch lohnens­werter.

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