Schwerer Anschlag in Kolumbien: Rückkehr der Bomben nach Bogotá

Autobombe auf eine Polizeiakademie: 20 Menschen sterben, etliche werden verletzt. Der Täter soll zur Guerillagruppe ELN gehören.

Eine Reihe von Krankenwagen steht am Straßenrand.

Bogotá am Donnerstag: Die Opfer werden versorgt Foto: reuters

BOGOTÁ taz | Ein Bombenanschlag in der Hauptstadt schockiert Kolumbien. Jose Aldemar Rojas Rodríquez fuhr am Donnerstag gegen 9.30 Uhr (Ortszeit) mit einem Kleinlaster mit 80 Kilogramm Sprengstoff zum Lieferanteneingang der Polizeiakademie General Santander. Als Polizisten Rojas aufhalten wollten, beschleunigte er und raste auf das Gelände. Dort explodierte der Kleinlaster. Dabei tötete der Attentäter mindestens fünf Polizisten und sich selbst.

Im Laufe des Tages stieg die Zahl der Opfer auf 20 Tote und 68 Verletzte. Unter den Verletzten sind auch drei Minderjährige, darunter ein dreijähriges Mädchen, weil sich auf dem Gelände Dienstwohnungen für Polizisten-Familien befinden.

Bis auf eine Polizistin aus dem Nachbarland Ecuador handelt es sich bei den Todesopfern um kolumbianische Polizeischüler. Diese sind in der Regel gerade einmal volljährig und kommen aus dem ganzen Land zur Ausbildung nach Bogotá. Selbst am Freitag waren daher noch nicht alle Angehörigen der Opfer eingetroffen.

Der Anschlag fand kurz nach einer Beförderungsfeier für Kadetten statt. Auf dem Gelände der Polizeiakademie wurden mehrere Gebäude beschädigt. Die Wucht der Detonation zerriss Scheiben der Häuser von Anwohnern in der Nachbarschaft. Bis Freitagmorgen waren von den 68 Verletzten bis auf neun alle entlassen. Zwei befanden sich in kritischem Zustand, drei wurden noch operiert. Die zentrale Blutbank rief die Bogotaner dringend zu Blutspenden auf.

Regierung: Täter war Sprengstoffexperte der ELN

Die Identität des Täters stand bereits wenige Stunden nach dem Attentat fest. Am Freitagmorgen bestätigten Generalstaatsanwalt Néstor Humberto Martínez und Verteidigungsminister Guillermo Botero in einer Pressekonferenz die Vermutungen: Der 56-jährige Jose Aldemar Rojas Rodríquez gehört seit 25 Jahren als Sprengstoffexperte zur ELN. Diese ist nach dem Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla im November 2016 die größte verbliebene Rebellengruppe Kolumbiens. Die Guerilla selbst hat sich allerdings bislang nicht zu dem Anschlag bekannt.

Weil Rojas die rechte Hand verloren hatte, war sein Kampfname „el Mocho“ beziehungsweise „Kiko“, was Stumpf bedeutet. Rojas war nicht vorbestraft und stammt aus Puerta Boyacá, einer Gegend, in der der bewaffnete Konflikt besonders blutig war. Vor der Tat soll er telefonisch Kontakt mit einem ELN-Mitglied gehabt haben, das die Polizei dann am frühen Freitagmorgen festnahm. Laut Staatsanwaltschaft hat Rojas die Tat über zehn Monate vorbereitet. Sie ermittelt weiter nach Hintermännern.

Verteidigungsminister Botero stellte klar, dass es derzeit keine Beweise für ein Selbstmordattentat gebe. Es wäre das erste in der kolumbianischen Geschichte gewesen. Die staatliche Ombudsstelle Defensoría del Pueblo hatte Ende Dezember vor Bombenattentaten in Gegenden nahe der Polizeiakademie gewarnt und explizit die ELN genannt.

Präsident Iván Duque ordnete drei Tage Staatstrauer an. „Wir werden nicht ruhen, bis wir die Terroristen gefangen und zur Rechenschaft gezogen haben“, sagte er in einer ersten Pressekonferenz. Er ließ die Kontrollen an den Landes- und Stadtgrenzen verstärken.

Blut spenden statt demonstrieren

Zudem appellierte er an die Kolumbianer*innen, vereint zu bleiben und jegliche Form von Gewalt abzulehnen. „Das ist nicht nur ein Angriff gegen unsere Jugend, die Streitkräfte und Polizei. Das ist ein Angriff gegen die ganze Gesellschaft.“

Die FARC-Partei gehörte zu den ersten, die den Anschlag verurteilten. Die Partei der ehemaligen Guerillakämpfer nannte die Tat eine „Provokation gegen eine politische Lösung des Konflikts“. Die Vereinten Nationen, welche die Umsetzung des Friedensabkommens überwachen, nannten den Anschlag einen „inakzeptablen kriminellen Akt, der den Anstrengungen des Landes zuwiderläuft, sich von der Gewalt abzuwenden und mit der Bevölkerung eine erfolgreiche und friedliche Zukunft aufzubauen.“ Die US-Botschaft in Bogotá bot Hilfe bei den Ermittlungen an.

Friedensgespräche mit der ELN waren in jüngster Zeit mehrfach gescheitert. Vor einem Jahr tötete die Rebellengruppe bei einem Attentat auf eine Polizeistation in Barranquilla sechs Polizisten und verletzte 40 Menschen. Im Februar 2017 hatte sie bei einer Attacke auf eine Polizeipatrouille in Bogotá einen Polizisten getötet und mehrere schwer verletzt.

In der Hauptstadt wurden zwei für Donnerstag geplante Massendemonstrationen abgesagt: Die Initiatoren der Anti-Korruptions-Demo gegen Generalstaatsanwalt Martínez riefen auf, aus Solidarität eine Kerze anzuzünden.

Die Studierendendemo, die sich unter anderem gegen Gewalttaten der Antiaufstandseinheit der Polizei bei den jüngsten Demonstrationen richtete, wurde verschoben. Ein Teil der Studierenden ging geschlossen zum Blutspenden. In den Medien und den sozialen Netzwerken reagierten die Kolumbianer überwiegend mit großer Trauer und appellierten, den Weg des Friedens weiterzugehen.

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