Nutzt der neue Feiertag der Sache?

Heute ernennt das Abgeordnetenhaus den Frauentag am 8. März zum gesetzlichen Feiertag. Viele freuen sich, dann nicht arbeiten zu müssen. Aber ist der Feiertag auch im Sinne der Frauenpolitik? Oder schadet er gar den feministischen Anliegen? Zwei Gastbeiträge

Frauentag in der DDR: Frauen bei einer Kahnpartie im Spreewald (Lehde, Brandenburg), 1982 Foto: Thomas Kläber/akg

Grund zum Feiern Heute wird im Abgeordnetenhaus end­gültig beschlossen, dass die (meisten) BerlinerInnen ab sofort am 8. März freihaben. Berlin stockt damit als bislang feiertagsärmstes Land von neun auf zehn freie Tage auf. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen hatte man sich jüngst auf den Reformationstag am 31. Oktober als zusätzlichen Feiertag geeinigt. Thüringen entschied sich für den Weltkindertag am 20. September.

Internationaler Frauentag Die Initiative zur Einführung geht auf die sozialistische Frauenrechtlerin Clara Zetkin zurück, 1911 wurde erstmals der 19. März als Frauentag in Deutschland, Österreich-Ungarn, der Schweiz und Dänemark begangen – mit der Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Der 8. März als Datum ging später auf den Frauenstreik im russischen Petrograd (heutiges Sankt Petersburg) 1917 zurück, der die Februarrevolution auslöste. In der Weimarer Republik wurde der Frauentag ab 1926 an diesem Tag, weiterhin verbunden mit konkreten Forderungen, begangen. Unter den Nazis war er verboten, Aktivitäten an diesem Tag galten als Zeichen sozialistischer Untergrundarbeit. In der späteren DDR wurde der Frauentag 1946 wieder eingeführt, diente aber mehr der Propaganda. In der BRD rückte der 8. März erst mit der Frauenbewegung wieder ins Bewusstsein.

In Gesellschaft Unter anderem in Angola, Armenien, Eritrea, Kambodscha, Russland, Tadschikistan und Uganda ist der 8. März ebenfalls Feiertag. In Chinas Staatsbetrieben bekommen Frauen häufig den Nachmittag frei. (mah) inland 7, meinung 12

ja!

Es wäre ein Missverständnis zu meinen, der neue Feiertag am 8. März wäre nur zum Feiern gut. Vor 100 Jahren durften Frauen das erste Mal wählen. Danach ging es holpernd, stolpernd vorwärts, aber auch heute gibt es noch genug zu tun. Ob ungleiche Bezahlung, ungleiche Besetzung der Parlamente, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Gewalt gegen Frauen, die gläserne Decke, an die viele Frauen beim Karrieremachen irgendwann stoßen: All diese Evergreens der Frauenpolitik sind ja nicht mit dem Feiertag behoben.

Im Gegenteil: Der 8. März soll Gedenk-, Erinnerungs- und Feiertag sein. Zumindest ein Mal im Jahr werden alle daran erinnert, dass Frauen nach wie vor nicht gleichgestellt sind. Im Grundgesetz steht ja: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Das laut einzufordern, dafür gibt es jetzt einen Feiertag.

Viele jubeln ja, einfach weil sie am 8. März nicht zur Arbeit müssen. Für mich ist der neue Feiertag viel mehr, eine Anerkennung unserer Anliegen, für die auch ich lange gekämpft habe, ein politisches Highlight in diesem Jahr.

Und weil wir ja so schön freihaben, können wir auch alle zur zentralen Demo gehen, die immer am 8. März stattfindet, und unsere Rechte einfordern. Die Demonstration wird dieses Jahr sicherlich viel größer als sonst. Wir können auch auf eine der zahlreichen Veranstaltungen gehen, uns informieren oder diskutieren. Da bietet der neue 8. März wunderbare Möglichkeiten.

Wenn dann irgendwann all die Nachteile für Frauen beseitigt sein sollten und die Männer beschweren sich, weil sie ins Hintertreffen geraten: Falls ich das noch erleben darf, können wir den Frauentag auch gerne in Gleichstellungstag umbenennen.

Anja Kofbinger, 59, engagiert sich seit 30 Jahren in der Frauenpolitik. Seit zwölf Jahren ist sie frauen- und gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus

nein!

Die Forderung nach einem Feiertag am 8. März besteht in feministischen Kreisen schon lange. Dass sie nun endlich umgesetzt wird, ist auch Ausdruck davon, dass es eine erstarkende autonome Frauen*bewegung gibt. Gleichzeitig stellt gerade für diese der Feiertag auch eine Herausforderung dar. Denn er birgt die Gefahr, wichtige Zusammenhänge unsichtbar zu machen und langfristig die Mobilisierung zur Frauen*kampftagsdemo, an der zuletzt 10.000 Menschen teilgenommen haben, zu schwächen.

Die Argumentation für den Feiertag ignoriert nämlich, dass für die allermeisten Frauen Lohnarbeit eben bei Weitem nicht die einzige Arbeit ist. Der Zeitverwendungsstudie zufolge leisten Frauen im Schnitt „nur“ 16 Stunden entlohnte und dafür 30 Stunden unentlohnte Arbeit pro Woche. Für viele Frauen ist es die unbezahlte Sorgearbeit, die ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt noch prekärer macht. Teilzeitfalle, mangelnde Aufstiegschancen, geringere Löhne und schließlich Altersarmut stehen auf demselben Blatt. Männer hingegen leisten pro Woche im Schnitt 25 Stunden Erwerbsarbeit und dafür nur 19 Stunden unbezahlte Arbeit. Schon rein statistisch gesehen kommt ein Feiertag daher Männern sehr viel mehr zugute.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Zusätzliche Feiertage sind trotzdem absolut wünschenswert. Nur der Zusammenhang zur spezifischen Situation von Frauen und ihren Kämpfen hakt. Hinzu kommt, dass an einem Feiertag auch Kitas und andere Einrichtungen geschlossen sind. Viele Frauen werden sich deshalb um ihre Kinder kümmern müssen und können schlechter an Aktionen teilnehmen. Ganz zu schweigen von der verständlichen Versuchung, einen Feiertag so frei wie möglich zu gestalten. Der Kampftag könnte dann zu einem schon-lange-nicht-mehr-revolutionären 1. Mai verkümmern. Zum Glück hat sich die Frauen*streik-Bewegung entschlossen, sich dieser Herausforderung entschlossen zu stellen.

Alex Wischnewski, 33, ist aktiv im Frauenstreik-Komitee Berlin