Die Wahrheit: Schach mit ohne alles

Etwas ist diesmal anders beim Schachfestival in den Niederlanden. Endlich wird der königliche Denksport bei Turnieren auch mit dem Unterleib gespielt.

Ein Schachbrett mit Geheimfach

Schachmatt, denn sie spielte sehr klug Foto: dpa

Etwas ist diesmal anders beim traditionellen Schachfestival im niederländischen Zonderjuken. Es ist nicht bloß der Umstand, dass die Top Ten der Weltrangliste der Einladung gefolgt sind. Es sind auch nicht allein die vielen Frauen, die ihnen zuschauen, während sonst fast nur Männer kiebitzen. Schon gar nicht sind es die Partien selbst, die das Publikum fesseln, die sind so langweilig wie eh und je.

Nein! Zonderjuken 2019 ist das erste Nacktturnier der Schachgeschichte, hier startet die erstmalig ausgetragene Naked Chess World Trophy Tour. Keine Frage: Auch das ehrwürdige Schachspiel muss mit der Zeit gehen und andere Wege beschreiten. Ja, es will bestehen in der Konkurrenz mit anderen Sportarten und Freizeitangeboten unserer Tage.

Schach, die öde Beschäftigung stundenlang bewegungslos an einem Tisch hockender Brüter: Diese Vorstellung ist ebenso gestrig wie das Klischee von zwei gepflegten Herren, die abends bekleidet daheimsitzen in einem kultivierten Ambiente, einen Cognac neben sich und in der Hand eine edel duftende Zigarette – das alles im gedämpften Licht vor einer geschmackvollen Bücherwand an einem aus kostbarem Edelholze gefertigten Spieltisch mit eingelegtem Schachbrett.

Heute modeln Schachprofis für Brillen („see more than everything – not only in chess“) wie Weltmeister Manfred Carlsen, der auch Testimonial für Ferrari („even faster than blitzschach“) war und sich sogar schon für Playgirl ausgezogen hat. Dieses fait accompli entpuppt sich heute als Vorbereitung auf das Turnier im niederländischen Zonderjuken. Schachspieler können eben weit vorausrechnen. Fabrizio Caruana, Nummer zwei der Weltrangliste und früher als autistisch verkannt, blödelt denn auch auf Instagram mit Fans über sein letztes „Schwachspiel“ im WM-Duell mit Carlsen. Sascha Karjakin wiederum hat seinen russischen Gefängnishaarschnitt abgelegt und trägt jetzt Elvistolle samt Hipsterbart – untenrum. Der bullige Takahara Nakamura lässt sich nackend beim Sumo-Ringen fotografieren, und die junge Weltranglistenerste der Frauen, Hau Yifan aus China, spielt schon mal in Softpornos mit.

Sie sprüht's auf jede Hauswand

„Frauenschach kommt langsam, aber gewaltig!“, so bringt es Tina Deter arg plakativ auf den Punkt. Als Sängerin der Tina Deter Band war sie einst eine Heldin der Neuen Deutschen Welle und schon immer passionierte Schachspielerin, wie alle Welt weiß. Als sie 1983 in ihrem berühmtesten Song forderte: „Neue Schacher braucht das Land!“, hätte sie nicht geglaubt, dass dieser Wunsch sogar weltweit nackte Wirklichkeit wird.

Ob Mann oder Frau, die „Hirnis“ haben „eine ungeahnte Sexyness“ entwickelt, schreibt die begabte Schachjournalistin Jutta Hackober in ihrem Beitrag „Seit wann ist Schach so irre sexy?“ in der im Springer-Verlag erscheinenden Fachzeitschrift Die Schach-Welt. Darin berichtet sie auch lang und breit von sexuellen Anziehungskräften, die sich über und unter dem Brett entwickeln.

„Ja, das größte Geschlechtsorgan ist eben das Gehirn!“, gibt der Bamberger Mediziner Herbert Pfleger, mit seinen 75 Jahren ein eher inaktiver Schachgroßmeister, ihr recht. Wurde früher einseitig auf Köpfchen Wert gelegt, wird modernes Schach auch mit dem Unterleib gespielt: „Schach ist ganzheitlich geworden“, stellte jüngst der Verband klassischer Homöopathen im Deutschen Schachbund per Positionspapier klar.

Schachspielende Nacktschnecken

Alles, alles, aber auch wirklich alles spricht mithin für die flächendeckende Einführung des Nacktschachs bis hinunter zur Kreisklasse. Natürlich hat das Nacktschach einen Nachteil, doch zumindest in Zonderjuken hat man damit kein Problem: „Wenn es doch mal eine spannende Partie gibt, die Spieler dann extrem aufgeregt sind und sich obendrein in akuter Zeitnot befinden, müssen wir oft schnell eingreifen und pampern!“, schmunzelt Turnierdirektor Moritz Euwe.

Das nächste Turnier der Naked Chess World Trophy Tour findet Anfang Februar im russischen Goloje Telomorsk statt. Für diese Veranstaltung im ostsibirischen Tiefland haben sich die Organisatoren ein besonderes Bonbon ausgedacht: Auch Fans und Journalisten müssen sich vollkommen entkleiden. Schachnackt für alle!

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