Kommentar Golden Pudel Club: Alles ganz normal

Ein Kontrapunkt gegen die übliche Logik: Der Hamburger Golden Pudel Club gehört nun zwei Stiftungen. Schön – aber keine Zeitenwende.

Ein heruntergekommenes Haus

Der kleine Kläffer am Hafen ist eine erfreuliche Störung des Betriebs Foto: imago/Kraft

Dass Hamburg die deutsche Hauptstadt ist, also wenigstens in dieser Hinsicht, das bekommt man gerne mal zu hören: Mehr als 1.400 Stiftungen, bei der Einwohnerzahl, das ist Spitze! Was man beinahe so oft aufschnappen kann: Dass in Hamburg-St. Pauli alles anders ist also sonstwo.

Hier spielten die Beatles zuerst, hier hat der Fußball den Totenkopfflaggenkitsch entdeckt (und den Antifaschismus wieder), hier wurde der Erhalt der Hafenstraßenhäuser erkämpft und schwules Theater zu Mainstreamunterhaltung. Aber die Rettung, die jetzt der weit über die Stadt hinaus bekannte Golden Pudel Club bekannt gab: Die war am Ende vielleicht nicht wegen, sondern trotz St. Pauli möglich.

Mitte der 90er-Jahre verhinderte nachbarschaftliches Engagement hier das x-te Mischfunktionsgebäude, stattdessen bekam der Stadtteil eine kleine grüne Oase namens Park Fiction. Und nebenan fand der Pudel Club ein festes Zuhause, mehr eine zuvor an verschiedenen Orten in Erscheinung getretene kreative Zelle als eine bloße Bierschwemme (auch wenn er die immer gut zu mimen verstand).

War er anfangs sogar mal auf dem Weg, eine Art Marke im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu werden, generierte der Pudel dann vor allem schlechte Nachrichten: Die Eigentümer stritten sich bis vor Gericht um einen Verkauf – und das Haus brannte plötzlich. Dass auf dem Flecken St. Pauli nun doch noch die ganz normale Logik von Investoren und Projektentwicklern greifen würde: Es schien einzig eine Frage der Zeit.

Große Hoffnungen

Umso erfreulicher, dass eine dieser typischen Stiftungen, verpflichtet „der Förderung der Kunst und Kultur sowie der Bildung und Erziehung zu annähernd gleichen Teilen“ 2006 die Hälfte aufkaufte und den Streit der beiden Eigentümer beendete. Am Dienstag nun übertrug auch der andere, der Entertainer Rocko Schamoni, seinen Anteil an eine Stiftung; die sich eigens gründete, und in deren Kuratorium nun unter anderem Schamoni sitzt.

Die Hoffnungen, die sich daran knüpfen, sind groß: „für alle Zeiten dem Zugriff von Privatinteressen, Spekulationen und Marktbewegungen entzogen“ sei nun das Etablissement, und „kommende Generationen“ erhielten so einen Ort „der progressiven Veränderung und kritischen Beobachtung, der sich immer wieder an sich selbst abarbeitet und der für immer unverkäuflich bleibt“.

Was man ihnen wünschen möchte, den kommenden Generationen, den heutigen Betreiber*innen, ihren feiernden Gästen. Der ganzen Stadt tut es gut, wenn die immergleiche Renditelogik mal Schluckauf bekommt. Tut sie das aber wirklich? Womit genau verdienen solche Stiftungen ihr Geld, um es dann in Kunst und Kultur „zu annähernd gleichen Teilen“ zu stecken? Wie viel schmutziges Geschäft mag durch solches Engagement schon weißgewaschen worden sein? Und ver-wirtschaften sie sich nicht auch mal, so wie in Hamburg mancher Wohnstift im ganz normalen Marktgeschehen aufgegangen ist?

Was sich da zugetragen hat am Hafenrand, ist eine erfreuliche Störung des gerne so alternativlos sich gebenden Betriebs. Dem Pudel ist aller Erfolg zu wünschen. Aufgehalten aber hat der kleine Kläffer, so steht zu befürchten, gar nichts.

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Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.

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