Kommentar Rede von Kim Jong Un: Die Warnung des Diktators

Die Neujahrsansprache des nordkoreanischen Diktators wird weltweit interpretiert. Sie richtet sich aber in erster Linie ans eigene Volk.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un bei der Neujahrsansprache 2019

Inhaltlich weder überraschend noch neu: die Neujahrsansprache von Kim Jong Un Foto: dpa

Stets wird die Neujahrsansprache des nordkoreanischen Machthabers bis auf ihre letzte Silbe von Journalisten, Politikern und Akademikern weltweit interpretiert. Dabei wird jedoch meist vergessen, dass sie vor allem und zuallererst an die eigene Bevölkerung gerichtet ist. Die Kernbotschaft lag eindeutig auf der Wirtschaftspolitik des Regimes – einem Thema, dem Kim Jong Un den Großteil seiner 31-minütigen Ansprache gewidmet hat.

Im Detail sprach der 35-Jährige vom Ausbau der heimischen Leichtindustrie, der Einführung innovativer ­Managementmethoden und dem Wunsch, im Bereich der Landwirtschaft verstärkt wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen zu lassen. Für ein Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten hyperstalinistisch funktioniert hat; in dem es de facto weder Privatbesitz gab noch Geldwährung eine nennenswerte Rolle gespielt hat, ist das mehr als erstaunlich, dass dessen Staatsoberhaupt sich nicht nur explizit für Reformen ausspricht, sondern indirekt eigene Fehler bei der Wirtschaftspolitik zugibt.

Für Schlagzeilen sorgt jedoch ein ganz anderer Aspekt von Kims Ansprache: Dass nämlich das nordkoreanische Regime bei der Annäherung mit den USA auch „einen anderen Weg“ einschlagen kann, sollte Washington bei den gemeinsamen Verhandlungen nicht sein Versprechen von Gegenmaßnahmen, wie etwa der Lockerung von Wirtschaftssanktionen, einhalten. Kim Jong Un hat sich zwar erneut für die atomare Abrüstung der Koreanischen Halbinsel ausgesprochen. Jedoch bedeutet dies keinesfalls die einseitige Abrüstung des nordkoreanischen Nuklearprogramms, wie es US-Präsident Donald Trump der Öffentlichkeit verkauft hat.

Eine Abrüstung der Koreanischen Halbinsel sieht de facto ebenfalls vor, dass die USA ihre Truppen aus Südkorea abziehen und keine Militärmanöver mit Nuklearbomben mehr abhalten. Inhaltlich ist dies für Beobachter des Regimes weder überraschend noch neu. Die diesjährige Neujahrsansprache war dafür in seinem Format neuartig.

Ebenso adressierte Kim seine Rede zu Beginn auch an seine „Landsleute aus Südkorea“– denn auch dort wurden seine Worte, zeitgleich wie im nord­koreanischen Staatsfernsehen, übertragen.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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