Negative Preise an der Strombörse: Energie nicht mal mehr geschenkt

Über Weihnachten zahlten Erzeuger dafür, dass man ihnen ihren Strom abnahm. Was bedeuten negative Strompreise für den Energiemarkt?

Sonnenaufgang hinter eineem Windpark

Viel Windstrom lässte die Strompreise einbrechen – kurzfristig Foto: dpa

N egative Strompreise bedeuten: Wer Strom abnimmt, bekommt mitunter Geld dafür. Das gibt’s?

Negative Strompreise gibt es an der Strombörse immer mal wieder. Sie treten speziell bei geringer Nachfrage und hoher Windstromerzeugung auf, so auch in diesen Tagen. Die Weihnachtszeit ist inzwischen recht anfällig für negative Strompreise im Großhandel, weil mitunter ein hohes Windstromangebot auf eine geringe Stromnachfrage trifft. Auch am ersten Weihnachtstag von 6 bis 8 Uhr fielen die Preise an der Strombörse wieder knapp unter null.

Wie entstehen die Strompreise an der Börse?

An der Strombörse Epex Spot bieten Betreiber von Kraftwerken jeweils am Vortag in Stundenblöcken ihren Strom an (Spotmarkt). Zugleich kaufen Versorger auf Basis von Verbrauchsprognosen Strom ein, um mit diesem ihre Kunden zu beliefern. Ähnlich wie an einer Aktienbörse ergibt sich aus Angebot und Nachfrage ein Preis. Dieser schwankt von Stunde zu Stunde. Jedes Kraftwerk, das erfolgreich angeboten hat, wird also am nächsten Tag zu den betreffenden Zeiten die vereinbarte Leistung liefern. So bestimmt die Börse (Day-ahead-Handel genannt) stets zur Mittagszeit über den Einsatzplan konventioneller Kraftwerke am nächsten Tag.

Was bewirken in diesem System die erneuerbaren Energien?

Erzeuger bieten ihren Strom üblicherweise zu dem Preis an, der die variablen Kosten der Erzeugung deckt. Da Wind- und Solarstrom aber keine oder nur geringe variable Kosten verursachen (bei Windkraftanlagen ein wenig durch Verschleiß), können sie ihren Strom zu Preisen nahe null anbieten. Anlagen, die Brennstoff benötigen, können da nicht mithalten.

Ist das eine Marktverzerrung durch die garantierten Einspeisevergütungen?

Die Erneuerbaren sind nicht allein für die negativen Preise verantwortlich

Nur teilweise. Die Systematik der Preisbildung gilt für Wind und Sonne grundsätzlich, also auch dann, wenn die Anlagen keine garantierte Vergütung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) erhalten. Denn sie produzieren ihren Strom zu Grenzkosten von praktisch null. Das heißt: Auch ohne EEG würde der Betreiber einer Photovoltaikanlage seinen Strom lieber für knapp über null Cent verkaufen, als die Anlage abzuschalten. Ein solches Phänomen tritt immer auf, wenn eine Technik zwar hohe Kapitalkosten hat, aber praktisch keine variablen Kosten. Somit werden Wind- und Solaranlagen, auch wenn sie nicht mehr durch das EEG gefördert werden, die Strompreise stundenweise auf null drücken, und so marktgetrieben andere Erzeuger verdrängen.

Warum wird der Preis negativ?

Das ist nun die Konsequenz der fixen Vergütungen. Die Anlagen bekommen ihre festen Tarife und speisen deswegen auch dann Strom ein, wenn die Preise negativ sind. Würden sie am Markt agieren, würden sie in diesem Fall abschalten. Aber die Erneuerbaren sind nicht allein für die negativen Preise verantwortlich: „Negative Stundenstrompreise resultieren unter anderem aus der Inflexibilität im konventionellen Kraftwerks­park“, sagt Mirko Schlossarczyk von der Berliner Beratungsfirma enervis energy advisors. Denn für Atom- und Braunkohlekraftwerke ist es mitunter billiger, Geld an Stromabnehmer zu bezahlen, als die Anlagen kurzzeitig stark zu drosseln oder abzuschalten. Denn starker Lastwechsel erhöht bei diesen Anlagen den Verschleiß.

Was sind die Konsequenzen negativer Preise ?

Stromerzeuger bezahlen an die Abnehmer, zum Beispiel Pumpspeicherwerke. Bei EEG-Anlagen fließen die Kosten in die EEG-Umlage ein. Auswirkungen haben negative Preise aber inzwischen auch auf den Betrieb von neueren EEG-Anlagen: Verharrt der Preis sechs Stunden am Stück oder länger unter null, erhalten diese keine EEG-Vergütung mehr. Das kam in diesem Jahr bereits fünfmal vor. Nebenbei: Dieser Effekt ist zu unterscheiden von Abschaltungen aufgrund von Netzengpässen. Bei einem solchen erhalten die Betreiber eine Entschädigung.

Werden die Stunden mit negativen Preisen immer häufiger, je mehr Windkraftanlagen gebaut werden?

Theoretisch wäre das der Fall bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen. Doch Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Gegenbewegungen stärker sind. „Schon Mitte des kommenden Jahrzehnts wird man negative Preise nur noch selten sehen“, ist Branchenkenner Schlossarczyk überzeugt. Zum einen, weil ab 2021 zahlreiche Windkraftanlagen aus dem EEG fallen. Die, die trotzdem in Betrieb bleiben, dürften bei negativen Preisen fortan abgeschaltet werden. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren einige unflexible Kraftwerke (speziell durch den Atomausstieg) vom Netz gehen werden. Die konventionelle Einspeisung in Zeiten von viel Wind wird also abnehmen.

Reduziert auch eine CO2-Bepreisung die Häufigkeit negativer Preise?

Darüber kann die Branche nur spekulieren, weil die Preisbildung sehr komplex ist. Grundsätzlich hebt ein CO2-Preis das Preisniveau am Strommarkt. Wie sehr sich das allerdings in den Stunden extremer Windstromerzeugung bemerkbar macht, ist selbst unter Marktkennern strittig. Fakt ist, dass von Juni bis November 2018 keine negativen Preise auftraten, während es im Vergleichszeitraum des Vorjahr 27 Stunden gab. Das höhere Preisniveau am Spotmarkt durch den zwischenzeitlich deutlich gestiegenen CO2-Preis könnte also eine Ursache sein – allerdings auch die zeitweise geringere Windstrommenge in diesem Jahr. 2017 gab es 82 Stunden mit negativen Preisen, das sind 0,9 Prozent des Jahres. 2018 gab es bislang 73 Stunden.

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