Kolumne Couchreporter: Daumen hoch für „Klicknapped“

„Klicknapped“ vereint die Genres Thriller und Horror und spielt in der Youtube-Welt. Damit zeigt funk den großen Sendern, wie Serienmachen geht.

Ein Mann und eine Frau schauen einander ernst an

Die Youtuber Manu und Polly aus der Serie haben sich gerade getrennt, als ein Fan sie entführt Foto: Curlypictures GmbH & Co. KG/funk

Die Grundidee ist eine Mischung aus dem Horrorfilm „Saw“ und dem Stephen-King-Roman „Misery“, nur dass die Figuren in „Klicknapped“ in die heutige YouTube-Welt von Stars wie Bibi und Julian versetzt werden.

Wer Bibi und Julian sind? Die beiden sind „Deutschlands lustigstes Web-Pärchen“ (Promiflash) – ein Social-Media-Phänomen, mit zusammen mehr als neun Millionen Abonnenten bei YouTube. Seit 2013 führen und vermarkten sie ihre Beziehung auf diversen Kanälen öffentlich, Hochzeit und Babynews inklusive.

In der neuen Serie des ARD-ZDF-Internet-Senders funk ist es für ein ähnlich beliebtes Paar nicht ganz so harmonisch gelaufen. Manu (Christopher Reinhardt) und Polly (Merle Collet) Engel haben sich gerade getrennt, die YouTube-Welt ist in Aufruhr. Dann erwacht Polly verwirrt im Bett eines schummrig beleuchteten Zimmers und findet neben sich ihren nicht minder verwunderten Ex.

Als eine verzerrte Stimme über Lautsprecher anfängt, ihnen Anweisungen zu geben, wird klar, dass sie von einem fanatischen Anhänger entführt wurden, der alles dransetzt, sie medienwirksam wieder zusammenzubringen.

„Klicknapped“ gibt sich bewusst überschaubar

Die bislang veröffentlichen fünf Folgen der achtteiligen Dramedy zeigen, wie man mit den spärlichen Mitteln eines Kammerspiels und einer simplen Story eine lustige, spannende sowie selbstreferenzielle Serie umsetzen kann.

Im Gegensatz zur ebenfalls von Radio Bremen betreuten Vorläuferproduktion „Wishlist“, die vor zwei Jahren von einem jungen YouTuber-Kollektiv aus Wuppertal aufwendig produziert wurde und dafür Fernseh-, Grimme- und Webvideopreise abgeräumt hat, ist „Klicknapped“ eigentlich unspektakulär.

Gemeinsam haben die Produktionen ihre Themenwelt, in der die digitalen Lebensrealitäten und deren Auswirkungen auf das „Real Life“ thematisiert werden. Während „Wishlist“ aber mit der zweiten Staffel hinsichtlich Spielzeit, Ausstattung und Plot noch einmal zwei Schippen draufgelegt hat, gibt sich „Klicknapped“ bewusst überschaubar. Und gerade das macht es gut.

Funk könnte großen Sendern Vorbild sein

Denn in diesem Mikrokosmos zeigen sich handwerkliche Feinheiten, ein sicheres Händchen der Beteiligten für Timing und ein gekonnt souveränes Umschalten zwischen Satire und Thriller. Natürlich sind die Figuren überzeichnet, natürlich werden Selbstdarstellungstrieb, Selbstverliebtheit und Selbstvermarktung der Influencer-Generation vorgeführt.

Aber die Protagonisten bleiben immer vielschichtig. Beispielhaft zeigt sich das an der Figur des Entführer-Nerds Justus (Filip Januchowski), der leicht zur Witzfigur hätte stilisiert werden können, sich mit seiner liebenswerten Naivität und neurotischem Charme aber zum heimlichen (Anti-)Helden und Publikumsliebling entwickelt.

Damit beweist wieder eine kleine funk-Serie den großen Elternsendern, wie wenig man braucht, um eine gute Geschichte zu erzählen: ein klares Thema, einen überschaubaren Rahmen, einen frischen Blick auf bewährte Erzählstrukturen und keine Angst vor der vermeintlichen Widersprüchlichkeit ihrer Figuren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.